Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie
flüchtig auf und musterte sie dann mit wachsendem Interesse.
»Sie wünschen, Miss?« »Mrs., bitte«, entgegnete Erika. »Mrs. David Rosenthal. Und ich
würde gerne den Beamten sprechen, der für den Mord an meinem Gatten zuständig ist.«
Sie registrierte das leise Zucken in seinem Gesicht, die Veränderung, die sie bei Gavin nie bemerkt hatte, als der Mann begriff, dass sie Jüdin war. »Nehmen Sie doch bitte Platz«, forderte er sie auf. »Es wird sich gleich jemand um Sie kümmern.« Und dann sah er ihr nicht mehr in die Augen.
Nach wenigen Augenblicken öffnete eine junge Frau die Tür, die zu den Büros führte, und sagte: »Mrs. Rosenthal? Wenn Sie mir bitte folgen würden.« Sie war mollig und übertrieben geschminkt, mit ondulierten Haaren, und auch sie sah Erika nicht in die Augen.
Erikas Ahnungen erhärteten sich zu einer Gewissheit, die wie ein Stein auf ihrer Brust lastete. Sie folgte der Frau durch die Tür und eine ausgetretene Treppe hinauf. Uniformierte Beamte kamen ihnen entgegen, aber sie waren gesichtslos, wie Geister. An einer Tür mit einer Milchglasscheibe in der oberen Hälfte blieb die Frau stehen, klopfte kurz an und führte Erika hinein. Dann schlüpfte sie wieder hinaus und machte die Tür hinter sich zu.
Erika sah sich einem kräftigen Mann mit rotem Gesicht und rotblonden Haaren gegenüber, der sich schwerfällig aus seinem Sessel erhob.
»Mrs. Rosenthal, nicht wahr? Nehmen Sie bitte Platz.« In seinem flüchtigen Lächeln, das seine gelblichen Zähne sehen ließ, lag keine Wärme. Erika setzte sich gehorsam auf den Holzstuhl, den er ihr anbot, erwiderte jedoch nichts aus Furcht, ihre Stimme könnte versagen.
»Ich bin Superintendent Tyrell«, fuhr er fort, während er sich wieder in seinen Sessel sinken ließ, als wäre das Stehen ihm lästig. »Sie sagten, Sie wollten Inspector Hoxley sprechen. Kann ich vielleicht irgendetwas für Sie tun?«
Erika schluckte und fand ihre Stimme wieder. »Nein, ich... Inspector Hoxley sagte, er habe etwas über den Mord an meinem Mann herausgefunden. Und dann hat er sich nicht … Ich dachte, es gäbe vielleicht etwas Neues.Wenn ich einfach nur kurz …«
»Bedaure, Mrs. Rosenthal, aber ich glaube, dass Inspector Hoxley sich
da geirrt haben muss.« Er klang absolut nicht so, als ob er etwas bedauerte. »Und Inspector Hoxley wird Ihnen nicht helfen können.«
»Aber ich …«
»Es hat einen Unfall gegeben. Inspector Hoxleys Leiche wurde heute Morgen am Themseufer angespült.« Tyrell schüttelte seinen massigen Kopf und gab einen missbilligenden Ton von sich. »Traurige Sache. Es wird natürlich nicht in seine Akte eingehen, aber es sieht ganz so aus, als ob Hoxley sich das Leben genommen hat.«
Als Kincaid sein Büro betrat, fand er seinen Platz von Cullen besetzt, der mit finsterer Miene auf den Computerbildschirm starrte. »Na ja, vielleicht brauche ich meinen Schreibtisch ja gar nicht«, sagte er anstelle einer Begrüßung.
Cullen hob den Kopf und ließ seinen Chef an seinem mürrischen Blick teilhaben. »Das glaube ich kaum. Und Sie sehen geradezu verboten glücklich aus.«
Kincaid zog lediglich eine Braue hoch. »Sie sind wohl nicht sehr viel weitergekommen?«
»Nein. Nicht den winzigsten Schritt. Keine Spuren an Khans Volvo. Auch nichts im Haus. Khans Freund von der Presse hat seine Geschichte bestätigt und sich geweigert, uns einen Blick in die Dokumente werfen zu lassen, wenn wir keinen Durchsuchungsbeschluss vorweisen können. Ich mache den Schrieb gerade fertig.« Er zuckte mit den Achseln. »Nicht dass ich mir irgendetwas davon verspreche. Khan ist viel zu vorsichtig.«
»Na, das muss er ja wohl sein, wenn er tatsächlich getan hat, was er uns erzählt hat.« Kincaid verscheuchte Cullen mit einer Kopfbewegung von seinem Platz und setzte sich an seinen Schreibtisch, während Cullen auf den harten Besucherstuhl auswich. »Was ist mit Giles Oliver?«
»Die Fingerabdrücke stimmen nicht überein. Keine Spuren an dem gestohlenen Wagen. Können wir ihn wenigstens wegen des Schwindels mit den Scheingeboten drankriegen?«
»Er hat es nicht direkt zugegeben«, erinnerte Kincaid ihn. »Und selbst wenn er das getan hätte, wäre es ein hartes Stück Arbeit, ihm irgendetwas nachzuweisen. Übrigens, um Ihre Laune ein bisschen zu heben«, fügte er hinzu, »ich glaube, wenn Giles Oliver so scharf auf leicht verdientes Geld ist, dann wird er damit früher oder später ziemlich auf die Schnauze fallen. Aber das wird dann nicht unser
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