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Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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lassen. »Für unsere Freunde und Helfer tun wir doch alles«, meinte er mit einem prüfenden Seitenblick, der zu besagen schien, dass sie mit ihrer Schwester wohl nicht ganz mithalten konnte.
    »Wegen meiner Mutter – können Sie mir schon irgendetwas sagen?«, fragte sie zögernd. Sie war sich nicht sicher, ob sie auf eine Antwort vorbereitet war.
    »Wir warten noch auf die Blutergebnisse«, war das Einzige, was er ihr verraten wollte. »Es ist gleich das erste Bett auf der rechten Seite. Sie können gerne bei ihr sitzen, solange Sie nur ruhig sind.«
    Hinter dem Vorhang war es dunkel, bis auf das bläuliche Neonlicht, das über dem Bett brannte.Vi wirkte seltsam klein, wie zusammengesunken vor dem Hintergrund der gestärkten weißen Laken, und Gemma fiel zum ersten Mal auf, dass die roten Locken ihrer Mutter allmählich grau wurden.Von einer Kanüle auf ihrem Handrücken schlängelte sich ein Infusionsschlauch zu dem Ständer am Kopfende des Bettes, doch ansonsten waren keine weiteren Schläuche zu sehen, keine Anzeichen dafür, dass
Vi Walters’ Welt sich mit einem Schlag dramatisch verändert hatte.
    Ihre Augen waren geschlossen, die Stirn leicht in Falten gezogen, als ob das Schlafen sie anstrengte.Wann, fragte sich Gemma, hatte sie ihre Mutter zuletzt wirklich entspannt gesehen?Vi war immer auf Achse, immer mit irgendetwas beschäftigt, und die einzigen Momente der Ruhe, die sie sich gönnte, waren die gelegentlichen Teepausen in der kleinen Küche ihrer Wohnung über der Bäckerei. Manchmal, nach einem besonders anstrengenden Tag, legte sie die Füße hoch und seufzte, aber wenn Gemmas Vater dann hereinkam, setzte sie sich sofort wieder kerzengerade auf, als wollte sie nicht beim Faulenzen ertappt werden.
    Gemma rückte den unbequem aussehenden Besucherstuhl so nahe wie möglich an das Bett heran und ergriff ein wenig unsicher die Hand ihrer Mutter. Sie fürchtete, dass die Berührung sie wecken würde, doch ihre Mutter zuckte nur kurz mit den Lidern, und dann glättete sich ihre Stirn, als hätte ihr Unterbewusstsein die liebevolle Geste irgendwie registriert.
    Bei Tagesanbruch war Gemma immer noch da. Ihre Wange ruhte auf der Bettdecke neben der Hand ihrer Mutter, als der behandelnde Arzt zur Frühvisite kam und die Diagnose brachte.

4
    … Im Lauf der Jahre wird die Wahrheit immer heftigeren Erschütterungen ausgesetzt; die Energien, die in die In- standhaltung der Festung fließen, sind gewaltig; sie muss Tag und Nacht bewacht werden …
     
    Diana Petre, The Secret Orchard of Roger Ackerley
    »Er war beschnitten, falls Ihnen das irgendwie weiterhilft.« Dr. Rainey sah Gavin Hoxley über den Rand seiner Halbbrille hinweg an und senkte den Blick dann wieder auf den Leichnam auf seinem Seziertisch. »Gut möglich, dass er Jude war.«
    Hoxley wandte sein Gesicht ab. Beschnitten oder nicht, der Anblick nackter männlicher Genitalien, erschlafft und bläulich angelaufen, gab ihm ein Gefühl extremer Verwundbarkeit. Und er sah es auch nicht gerne, dass dieses unidentifizierte Opfer einer Gewalttat so gänzlich seinerWürde beraubt wurde. Hände und Fingernägel des Mannes waren sauber gewesen, er war ordentlich frisiert und glatt rasiert. Er war jemand gewesen, dieser dünne Mann mit dem grau melierten Haar, und jetzt war er nichts weiter als ein Studienobjekt auf Dr. Raineys Tisch, das von wildfremden Menschen begafft und befingert wurde.
    Die Tatsache, dass der Mann vielleicht Jude gewesen war, verstärkte Hoxleys Unbehagen noch. Falls es stimmte, würde es bedeuten, dass die Obduktion selbst als Leichenschändung angesehen würde.
    Nicht dass Hoxley viel auf Obduktionen gegeben hätte, und auch von Rechtsmedizinern hielt er nicht sonderlich viel, selbst unter den günstigsten Umständen. Die meisten empfanden Untersuchungen unnatürlicherTodesfälle
als lästig, aber Rainey, ein kleiner, agiler Mann mit einem langen, ausdrucksstarken Gesicht und lockigem braunem Haar, besaß die Neugier eines Ermittlers. Hoxley hatte darauf bestanden, ihn zu dem Fall hinzuzuziehen, auch wenn er dafür die lange Fahrt über die London Bridge zum Guy’s Hospital in Kauf nehmen musste.
    Als er sich wieder umdrehte, sah er, dass Rainey ihn mit dem gleichen forschenden Blick musterte, mit dem er seine Leichen inspizierte. »Sie sehen aber auch ein bisschen ramponiert aus«, bemerkte Rainey.
    »Danke, Doc. Wir geben uns immer Mühe, einen guten Eindruck zu machen.« Er grinste schief und fuhr ein paarmal mit der Hutkrempe

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