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Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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musste sich fragen, ob er wirklich so beschränkt war, wie er sich gab. Der Gedanke drängte sich ihr auf, dass er sie wahrscheinlich für eine selbstgerechte Zicke hielt und es mit allen Mitteln darauf anlegte, dass die Kinder sich danebenbenahmen, nur um sie zu ärgern.
    Die Kinder – das Mädchen war ein wenig älter als Toby, der Junge etwas jünger – begannen sich um den Laster zu zanken, und ihr immer heftiger werdender Streit wurde unter Einsatz ihrer ganzen Stimmgewalt ausgetragen. »Ist Cyn drin bei Mum?«, fragte Gemma und widerstand der Versuchung, die Kleinen zurechtzuweisen.
    »Und dein Daddy auch.«
    »O Gott«, stieß sie hervor. »Na gut, wir sehen uns.«
    »Viel Glück«, rief Gerry ihr nach, und sie konnte nicht genau sagen, ob sein Ton spöttisch oder mitfühlend war.

    Mit schwerem Herzen und einem Gefühl aufsteigender Panik folgte sie dem Labyrinth von Gängen, die zum King-George-V. -Flügel führten. Das Krankenhaus wurde zurzeit renoviert, und düstere provisorische Tunnel verbanden die verschiedenen Flügel. Sie bog um eine Ecke nach der anderen, und ihr Mund wurde immer trockener.
    Gott, sie hasste Krankenhäuser – schon unter normalen Umständen, und nie hätte sie gedacht, dass sie einmal ein Mitglied ihrer Familie in diesem alten Gemäuer besuchen würde. Es war, wie Duncan ihr erklärt hatte, das älteste Krankenhaus Londons, und als sie den Flügel endlich erreichte, mochte sie es gerne glauben. Er war im Lauf der Jahrhunderte natürlich des Öfteren modernisiert worden, aber gleichwohl herrschte hier eine Atmosphäre von Verfall und Krankheit, die noch so viele Renovierungen nicht ganz auslöschen konnten.
    Nachdem sie auf dem Plan nachgesehen hatte, wo die Station ihrer Mutter war, nahm sie die Treppe, da sie sich in ihrer momentanen klaustrophobischen Stimmung nicht dem Aufzug anvertrauen wollte. Eine Schwester öffnete ihr mit dem Summer die Tür zur Station, wo sie ihren Vater und ihre Schwester wie zwei Wachposten zu beiden Seiten des Betts ihrer Mutter sitzen sah.Vi lag auf mehrere Kissen gestützt da, das Haar zu straff sitzenden Locken frisiert, Lippen und Wangen unnatürlich rot geschminkt – zweifellos Cyns Werk. Ihre Mutter gab sich sichtlich Mühe, einen forschen und fröhlichen Eindruck zu machen und, kaum dass Gemma den Raum betreten hatte, ihre gewohnte Rolle als Vermittlerin zu spielen.
    Als sie Gemma auf die Wange küsste, fühlten ihre Lippen sich papiertrocken an. »Ich bin so froh, dass du gekommen bist, Liebes. Und die Jungs – hast du sie mitgebracht?«
    »Nein, sie dürfen ja sowieso nicht zu dir rein.« Gemma unterdrückte das Bedürfnis, näher auf die Gründe einzugehen, denn ihr war klar geworden, dass die Anwesenheit von Cyns Kindern,
auch wenn sie nur im Hof spielten, sie selbst so dastehen ließ, als hätte sie ihre Mutter enttäuscht. Stattdessen fragte sie: »Wie geht’s dir, Mummy?«
    »Dein Vater hat mir ein belegtes Brötchen aus der Bäckerei mitgebracht«, antwortete ihre Mutter ausweichend. »Ist das nicht lieb von ihm? Das Essen hier ist fürchterlich, aber was will man schon erwarten?«
    Gemma sah das kaum angebissene Brötchen auf dem Tablett neben dem Bett liegen, und ihr Magen krampfte sich vor Sorge zusammen. Ihre Mutter aß wie ein Vogel, und Gemma merkte erst jetzt, wie stark sie abgenommen hatte. »Waren die Ärzte schon da? Was haben sie gesagt?«
    »Ach, noch mehr Untersuchungen. Du weißt doch, wie diese Ärzte …«
    »Wir müssen doch nicht über dieses Thema reden, was?«, unterbrach sie Gemmas Vater. Es war das erste Mal, dass er etwas sagte. »Wir sind doch gekommen, um deine Mutter aufzumuntern.«
    »Das kann Mummy doch wohl selbst entscheiden, ob sie …«
    »Es ist schon gut, Schatz.« Ihre Mutter rang sich ein Lächeln ab. »Ich bin mir sicher, dass die hier wissen, was sie tun.«
    Gemma biss sich auf die Unterlippe. Das Letzte, was ihre Mutter zu hören bekommen sollte, waren die Statistiken, die Gemma über die erschreckend miserable Qualität der Krankenhauspflege und die Gefahr von Sekundärinfektionen gelesen hatte.
    Ihre Schwester, die die ganze Zeit auffallend still gewesen war, blickte von ihren langen pinkfarbenen Fingernägeln auf, die sie inspiziert hatte, und schüttelte beinahe unmerklich den Kopf. Auch wenn sie Cyn in letzter Zeit nur noch selten sah und obwohl die beiden sich als Mädchen oft bis aufs Blut gestritten hatten, teilten sie ein instinktives Gespür für die Familiendynamik. Diese eine Geste

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