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Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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offiziell Fragen stellen, solange Erika keine Anzeige erstattet hat«, protestierte er.
    »Mir fällt sicher irgendetwas ein«, erwiderte Gemma bestimmt. »Offiziell oder nicht.«

5
    Die Tätigkeit des Auktionators galt über Jahrhunderte als eine ziemlich anrüchige – um nicht zu sagen unehrenhafte - Beschäftigung.
     
    Peter Watson, Sotheby’s: Inside Story
    Gemma fuhr mit der Central Line direkt bis zum U-Bahnhof St. Paul’s. Sie war froh, dass wegen des Sonntags nicht ganz so viele Menschen unterwegs waren, und dankbar, dass die U-Bahnen an diesem Wochenende ausnahmsweise fahrplanmäßig fuhren. Während sie in den Sonnenschein hinaustrat und die Newgate Street entlang in Richtung Westen ging, beherrschte die Sorge um ihre Mutter all ihre Gedanken.
    Am Vormittag hatte sie sich im Internet über Leukämie informiert, über Behandlungsmöglichkeiten und Prognosen. Die Aussichten hatten sie in Angst und Schrecken versetzt.
    Doch als sie an einem Durchgang vorbeikam, der zum St. Paul’s Churchyard führte, blickte sie auf und blieb wie gebannt stehen. In der schmalen Lücke war ein Stück der Kathedrale zu sehen, mit der großen Kuppel genau in der Mitte, wie ein Juwel in einem Nadelöhr, glühend im Schein der untergehenden Sonne.
    Ein Mann stieß mit ihr zusammen, und sie murmelte »Entschuldigung«, doch sie zögerte immer noch, und dann machte sie spontan kehrt und betrat den Kirchhof. Anders als an Wochentagen waren keine Banker zu sehen, und sie nahm an, dass
es hauptsächlich Touristen waren, die auf den Stufen der Kathedrale saßen, das Gesicht der Sonne zugewandt, um die letzte Wärme des Nachmittags zu genießen. Die Tage wurden länger. Ehe sie sich versah, würde es Sommer sein, und für einen kurzen Moment schien ihr die Zeit unerbittlich schnell zu vergehen.
    Sie fühlte sich plötzlich so leer, und ganz kurz spielte sie mit dem Gedanken, in die Kirche hineinzugehen, doch dann schalt sie sich selbst. Sie wusste gar nicht, wie man betete, und hätte sie es versucht, wäre sie sich albern vorgekommen.
    Und im Übrigen fand sie, dass St. Paul’s bei aller Pracht doch eher ein Denkmal für Christopher Wren als ein Werk zum Ruhme Gottes war. Sie machte kehrt, und während sie in Richtung Newgate Street zurückging, fragte sie sich, ob die stromlinienförmige, sterile Stadt, in die sein London sich verwandelt hatte,Wren wohl gefallen hätte. Zu seiner Zeit musste ein Sammelsurium aus Unrat, Gerüchen und Farben geherrscht haben, und mittendrin die Kathedrale, die sich aus dem Schmutz erhob und die Menschen an höhere Dinge gemahnte. Mit welcher Ehrfurcht mussten die Menschen zu ihr aufgeblickt haben – und was konnte heute ihren Platz einnehmen?
    Mit einem Ruck riss sie sich aus ihren Gedanken und ließ St. Paul’s mit zügigen Schritten hinter sich. Doch als sie das Krankenhaus erreichte, schienen ihr dessen alte Mauern grimmig wie die Zinnen einer Burg, und sie musste all ihren Mut zusammennehmen, um durch das Haupttor hineinzugehen.
    Der Innenhof mit seinem sanft plätschernden Brunnen bot einen angenehmen Kontrast. Schrilles Kindergeschrei hallte von den Mauern wider, und als sie genauer hinhörte, kamen ihr die Stimmen sehr vertraut vor. Und da sah sie auch schon einen roten Haarschopf hinter dem Brunnen hervorlugen. Es waren ihre Nichte und ihr Neffe, die unter den Augen von Gemmas Schwager Verstecken spielten.
    Als die Kinder sie entdeckten, kamen sie gleich auf sie zugerannt,
hängten sich an ihre Beine und riefen laut: »Tante Gemma!« Gemma ging in die Hocke, um sie zu umarmen, wobei es der kleinen Tiffani irgendwie gelang, ihren Kaugummi in Gemmas Haaren zu verteilen, während ihr Brendan mit einem Triumphschrei einen Plastik-Lkw an die Schläfe knallte.
    »Na, die sind ja gut drauf, Ger, findest du nicht?«, sagte sie, an ihren Schwager Gerry gewandt, während sie sich loseiste und die klebrigen rosa Klumpen aus ihren Haaren zu zupfen versuchte.
    Gerry nickte ihr von seiner Bank aus wohlwollend zu. »Wohl wahr.Von mir lassen sie sich ja eh nichts sagen.« Mit zufriedener Miene verschränkte er die Hände über seinem Bierbauch. Gemma hätte schwören können, dass er mindestens fünf Kilo zugenommen hatte, seit sie ihn an Neujahr zuletzt gesehen hatte.
    »Herrgott noch mal, Gerry, hier sind überall kranke Leute«, ließ sie ihrer Verärgerung freien Lauf.
    »Und was genau willst du damit sagen?« Der Blick, den er ihr jetzt zuwarf, war schon bei weitem nicht mehr so freundlich, und sie

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