Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie
als hätte ich in meiner Freundschaft mit Erika versagt, weil ich es nicht gewusst habe.«
»Erika hat es dir nie erzählt?« Kincaid sah so überrascht aus, wie Gemma selbst es gewesen war.
»Ich hatte keine Ahnung. Es ist 1952 passiert.Vorläufig sehe ich noch keine Verbindung zu der Brosche oder unseren Mordfällen, aber ich habe die Akte noch nicht ganz gelesen. Deshalb werde ich wohl noch mal kurz am Lucan Place vorbeischauen, bevor ich Mum besuche, und dich und Doug dem Charme des schönen Mr. Khan überlassen.«
Sie stand auf und beugte sich vor, und als sie ihre Wange an seine legte, spürte sie sonnengewärmte Haut und das leichte Kratzen der ersten Bartstoppeln. »Wir sehen uns heute Abend.«
Mrs. March begrüßte Kincaid und Cullen mit einem freudigen Lächeln, als wären sie inzwischen alte Freunde. Es gehörte zu ihrem Job, den Stammkunden das Gefühl zu geben, willkommen zu sein, und sie musste sich dazu noch nicht einmal verstellen. »Mr. Kincaid, nicht wahr? Gibt es etwas Neues …?« Dann verdrängte der Gedanke an den Grund ihres Besuchs ihre instinktive Reaktion, und das Lächeln verschwand.
»Nein. Aber wir wollten fragen, ob wir Mr. Khan kurz sprechen könnten.« Kincaid warf einen raschen Blick in den Auktionssaal und sah, dass dort eine Versteigerung im Gang war. Der Großbildschirm an der Wand zeigte an, dass es sich um eine Schmuckauktion handelte. Der Saal war voll besetzt, und es wurde offenbar recht lebhaft gesteigert.
»Ist das der Art-déco-Schmuck?« In seiner Konzentration auf Kristin Cahills Tod war ihm ganz entgangen, dass der Auktionstermin schon so bald war.
»Ja, aber wenn es die Goldshtein-Brosche ist, wegen der Sie besorgt sind – die hat Mr. Khan heute Morgen aus der Auktion genommen. Nach Ihrem Besuch«, fügte sie mit einem missbilligenden Blick in Dougs Richtung hinzu, als sei er persönlich für die Störung ihres normalen Geschäftsgangs verantwortlich. »Nachdem das Haus genötigt wurde, die Identität des Kunden preiszugeben, fand Mr. Khan, dass er das Objekt nicht guten Gewissens anbieten könnte, ohne vorher mit demVerkäufer Rücksprache zu halten, und soviel ich weiß, ist es ihm nicht gelungen, ihn zu kontaktieren.«
Nein, es sei denn, er verfügte über die Fähigkeit, Zwiesprache mit Geistern zu halten, dachte Kincaid, doch er verkniff sich jeglichen Kommentar. Er wollte derjenige sein, der Khan sagte, dass Harry Pevensey tot war, denn nur so konnte er Khans Reaktion darauf einschätzen. »Könnten Sie Mr. Khan sagen, dass wir ihn gerne sprechen würden?«
»Oh, das geht leider nicht.« Wieder warf Mrs. March Cullen
einen vorwurfsvollen Blick zu. »Er ist heute Mittag nach Hause gegangen. Er sagte, er fühle sich nicht wohl, obwohl ich mir das nicht recht vorstellen kann. Mr. Khan ist nie krank.«
»Was für ein erstaunlicher Zufall«, murmelte Cullen, doch Kincaid lächelte nur und fragte: »Haben Sie seine Privatadresse da?«
Mrs. March richtete sich entschlossen auf; von ihrer anfänglichen Herzlichkeit war nichts mehr zu spüren. »Die kann ich Ihnen nicht geben. Da müsste ich zuerst mit einem der Geschäftsführer sprechen.«
»Dann schlage ich vor, dass Sie zum Telefon greifen, Mrs. March. Sie können Ihrem Geschäftsführer sagen, dass wir die Adresse bekommen werden – es ist nur die Frage, wie viel Unannehmlichkeiten wir der Firma dafür bereiten müssen.«
»Das ist gegen alle Vorschriften.« Mrs. March rümpfte beleidigt die Nase, begann aber dennoch in einer Telefonliste zu blättern. Kincaid gefiel es nicht, sie einschüchtern zu müssen, aber er hatte den schlimmenVerdacht, dass solcheVerzögerungstaktik bereits ein Menschenleben gekostet hatte.
Aus dem Augenwinkel nahm er einen schillernden Farbglanz wahr. Er wandte sich zu dem Großbildschirm um und erblickte ein breites Armband, besetzt mit roten, grünen und blauen Steinen, die in einem Winkelmuster arrangiert waren. Verführerisch glitzerten sie in der überlebensgroßen Darstellung. Solche Kleinodien hatten schon immer Neid und Habgier geweckt, wenn nicht mehr, dachte Kincaid.Was hätten bestimmte Menschen wohl für die Diamantbrosche, die Gemma beschrieben hatte, alles getan?
»Und in der Zwischenzeit«, fügte er hinzu, »würde ich ganz gerne einen Blick auf die Goldshtein-Brosche werfen.«
Es war Giles Oliver, der sie nach hinten in Khans Büro führte. Sein Gesicht war nicht mehr so rot und verquollen wie am Vortag,
als Kincaid und Gemma ihn in seiner Wohnung
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