Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie
letzten Krümel auf ihren Tellern herumschoben, fragte sie: »Also, wo stehen wir denn nun?«
Er runzelte die Stirn und schwenkte den Rest Tee in seinem Becher. »Wenn der Barmann recht hat, dann hat Dom Scott gelogen, als er sagte, er habe Harry Pevensey zufällig im French House kennengelernt.«
»Vielleicht hat der Barmann ihr erstes Treffen nicht mitbekommen.«
»Selbst dann würde das missgelaunte Getuschel am Ecktisch, das er geschildert hat, doch für mehr als nur eine kurze oder flüchtige Bekanntschaft sprechen, findest du nicht?«
»Könnten sie vielleicht ein Paar gewesen sein, Harry und Dom?«, versetzte Gemma.
»Nicht, wenn man Harrys Nachbar glaubt, der sagte, Harry habe auf junge Mädels gestanden.« Kincaid zuckte mit den Achseln. »Aber Andy, der Möchtegern-Rockstar, ist vielleicht nicht die zuverlässigste Quelle. Mag sein, dass Harry jeden mochte, der ihm Aufmerksamkeit schenkte, aber ich kann mir nicht vorstellen, welchen Vorteil Dom davon gehabt haben soll.«
»Der Barmann sagte, Harry habe behauptet, in den Siebzigern Verbindungen zur Schickeria gehabt zu haben. Das bedeutete wahrscheinlich auch Drogen – vielleicht hat Harry immer noch nebenbei ein bisschen gedealt«, mutmaßte Gemma.
»Könnte Harry Dom mit Drogen versorgt haben?«, fragte Kincaid und schüttelte gleich darauf den Kopf. »Aber wenn das der Fall war, dann hat er davon mehr schlecht als recht gelebt, seiner Wohnung nach zu urteilen. Und das erklärt noch nicht, was Harry gestern Abend gefeiert hat, oder woher er das Geld
dafür hatte, oder was er mit Erikas Brosche gemacht hat …« Sein Handy klingelte, und er warf einen Blick auf das Display. »Cullen«, flüsterte er Gemma zu, ehe er sich meldete.
Sie beobachtete ihn, als er sagte: »Ja... Okay … In Ordnung, wir treffen uns dort«, und sie verspürte einen Anflug von Eifersucht. Eigentlich lächerlich, da die Beendigung ihrer dienstlichen Partnerschaft schließlich ihre eigene Entscheidung gewesen war und nicht seine. Und sie durfte auch nicht vergessen, dass sie jetzt in der glücklichen Lage war, es sich aussuchen zu können, wie viel sie von seiner Arbeit mitbekommen wollte. Aber manchmal kam es ihr so vor, als ob das blinde Verständnis, das sich fast augenblicklich eingestellt hatte, wenn sie zusammen an einem Fall gearbeitet hatten, im Durcheinander des Alltags verloren ging. Irgendwie war es leichter gewesen, mit ihrem getrennten Privatleben umzugehen, als sie noch zusammen gearbeitet hatten, als umgekehrt.
Nun, wie man sich bettet, so liegt man, hätte ihr Vater jetzt gesagt, und sie bezweifelte, dass sie in Doug Cullens Gunst gestiegen war, indem sie sich in diesen Fall eingemischt hatte.
»Wo bist du denn gerade?«, fragte Kincaid, und sie sah, dass er das Gespräch beendet hatte.
»Ganz weit weg.« Sie lächelte. »Na, was hatte der gute Doug zu berichten?«
»Harry Pevensey hatte bei keinem Anbieter einen Mobilfunkvertrag, nicht einmal ein Prepaid-Handy. Und Ellen Miller-Scotts Mercedes steht schon seit über einer Woche in der Werkstatt. Also wieder nur Sackgassen, wohin man schaut.«
»Und wie geht’s jetzt weiter?«, fragte Gemma.
»Ich denke, wir sollten Mr. Khan bei Harrowby’s noch einen Besuch abstatten. Es muss eine Verbindung zwischen diesen beiden Todesfällen geben, dem von Kristin Cahill und dem von Harry Pevensey, und die beiden Berührungspunkte sind Dom Scott und die Brosche. Dom Scott scheint aus dem Schneider
zu sein, was das Tatfahrzeug betrifft, also würde ich mich gerne noch einmal mit Amir Khan unterhalten. Wir wissen, dass er mit Kristin Cahill am Tag ihres Todes eine Auseinandersetzung hatte, aber es ist reine Mutmaßung, dass es dabei um die Brosche ging. Und wir sind davon ausgegangen, dass es Giles Oliver war, der eifersüchtig reagierte, als Dom Scott ihr Rosen in die Arbeit schickte, aber wenn es nun Khan war?«
»Sie war ein sehr hübsches Mädchen, und es wäre sicher nicht das erste Mal, dass eine junge Frau sich in ihren gut aussehenden Chef verliebt.« Gemma lächelte verschmitzt.
»Oder umgekehrt. Und ich fasse das als Kompliment auf. Willst du mit uns zu Harrowby’s kommen?«
Gemma überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Nein, danke. Ich glaube, ich gehe noch mal kurz zurück zum Lucan Place.«
»Du hast mir noch gar nicht erzählt, was du da eigentlich gemacht hast.«
»Nein.« Ein wenig zögernd fuhr Gemma fort: »Ich habe erfahren, dass Erikas Mann ermordet wurde, und ich komme mir so vor,
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