Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
bekannt, dass er zu Florentius’ Klientel gehörte. Offenbar hielt auch der Hauptmann es für sonderbar, dass Sintula an dem Gespräch teilnehmen sollte, denn politische Angelegenheiten gingen ihn nichts an.
Sintula jedoch vergeudete keine Zeit. Als wir im großen Audienzsaal eintrafen, wartete er bereits mit selbstzufriedener Miene wie ein Kind, das ein wichtiges Geheimnis hütet. Bei ihm war ein Mann mit schwarzem Haarschopf und einem kleinen, bösartigen Mund, der die schwarze Tracht der kaiserlichen Notare trug.
Als Julian den Saal betrat, erklärte der Notar in barschem Tonfall und mit lauter Stimme: »Ich hatte gehofft, den ehrenwerten Lupicinus anzutreffen. Doch wie es scheint, hast du ihn weggeschickt.«
»Lupicinus ist in Britannien«, begann Julian und wurde sogleich unterbrochen.
»Das ist mir bekannt.«
Julians Miene wurde hart. Er legte wenig Wert auf zeremonielles Auftreten, konnte aber sehr wohl zwischen Ungezwungenheit und Frechheit unterscheiden. Das Korps der Notare – Constantius’ persönliche Agenten – waren im gesamten Imperium verhasst, und das aus gutem Grund. Sie standen über dem Gesetz, jedenfalls glaubten sie das; sie waren hochfahrend und gefährlich; sie missbrauchten ihre Macht, die nicht klar umgrenzt war, und in den Augen des Kaisers konnten sie nichts verkehrt machen.
Ohne Julians Miene zu beachten, fuhr der Mann in demselben Tonfall fort: »Die Befehle, die ich bringe, waren für den Heermeister Lupicinus bestimmt. Im Falle seiner Abwesenheit war ich gehalten, mit dem Präfekten Florentius zu sprechen. Und nun stelle ich fest, dass er ebenfalls nicht da ist.«
»Er ist in Vienne.«
»Ja. Das ist misslich.«
»Du hast gebeten, mit mir zu sprechen«, sagte Julian kalt. »Nun, hier bin ich. Was willst du?«
Der Notar seufzte; dann schnippte er mit den Fingern und machte eine kleine fordernde Geste, worauf ein Diener mit einer Schriftrolle zu ihm trat. Darauf sah ich im flackernden Licht der Wandfackeln das große kaiserliche Siegel glänzen.
»Du kennst den Inhalt?«, fragte Julian.
»Allerdings«, antwortete der Notar. »Und ich bin hier, um Sorge zu tragen, dass die Anweisungen ausgeführt werden.«
Julian machte schmale Augen. »Und?«, sagte er langsam. »Was wünscht der Kaiser?«
»Du sollst Soldaten aus Gallien schicken, die der Kaiser für seinen Krieg mit den Persern benötigt, und zwar folgende Legionen: die Heruler, die Bataver und von den Hilfstruppen das Keltenregiment und die Petulantes, dazu dreihundert Mann aus jeder der übrigen Einheiten sowie eine Abteilung der Palastgarde.«
Als er schwieg, sagte Julian leise: »Ist dir klar, dass du mehr als die Hälfte meines Heeres verlangst?«
Der Notar lächelte schmal. »Ich bin kein Mann des Militärs, Cäsar. Ich bin hier, um die Befehle des Kaisers auszuführen. Außerdem wurde ich angewiesen, dir zu sagen, dass du dich nicht einmischen sollst. Die Befehle sind für die Bevollmächtigten des Kaisers in Gallien bestimmt, den Heermeister Lupicinus und den Präfekten Florentius. Ich teile dir diese Befehle nur aufgrund der Abwesenheit der beiden Männer mit, aus Höflichkeit. Dieser Tribun«, er deutete mit einem Nicken auf Sintula, »soll mit der Auswahl der Soldaten betraut werden, damit tatsächlich die besten genommen werden. Dann soll er die Männer der Palastgarde nach Osten führen.«
Decentius mochte sich unbedarft geben, doch Julian blickte nun Sintula an, der genau wusste, dass der Abzug eines so großen Teils des Heeres den Cäsar stark geschwächt zurückließe. Sintula trat unruhig aufs andere Bein und starrte auf den Fußboden.
Oribasius und Eutherius waren oben im Arbeitszimmer geblieben, aber ich war bei ihm und Marcellus ebenfalls. Julian warf uns einen Blick zu; seine Anspannung war ihm anzusehen. Ich wusste, was er dachte: dass sein Feind am Hof ihn nun doch noch geschlagen hatte. Einen Moment lang wirkte er hoffnungslos. Dann aber straffte er die Schultern. Er war nicht gewillt, diesen überheblichen Notar merken zu lassen, wie sehr es ihn traf.
»Wie der Kaiser wünscht«, sagte er schließlich.
»Selbstverständlich«, erwiderte der Notar mit hochgezogenen Brauen. Er gab dem Diener ein Zeichen, aber Julian war noch nicht fertig.
»Allerdings befinden sich die Heruler und Bataver zusammen mit dem Heermeister in Britannien«, sagte er. »Und Florentius, der die Versorgung der Truppen sicherzustellen hat, ist nach Vienne gereist. Daher wird die Sache warten müssen, fürchte ich. In
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