Wen die Goetter strafen
Moskau begab.
Wahrscheinlich mache ich einen schweren Fehler. Es könnte eine Falle sein. Aber wenn in Moskau jemand Bescheid weiß, erfahre ich womöglich, worum es geht.
Sie lehnte sich zurück und machte es sich bequem.
Als sie am nächsten Morgen auf dem mittlerweile vertrauten Flughafen Scheremetjewo II landeten, holte Dana ihr Gepäck ab und begab sich zum Ausgang, wo ihr dichtes Schneetreiben entgegenschlug. Am Taxistand wartete bereits eine lange Schlange von Fluggästen. Dana stand im kalten Wind und war dankbar, dass sie einen warmen Wintermantel anhatte. Sie musste vierzig Minuten anstehen, und als sie endlich an der Reihe war, versuchte sich ein feister Mann vorzudrängen.
»Njet«
, sagte Dana entschieden. »Das ist mein Taxi.« Sie stieg ein.
»Da?«
, sagte der Fahrer.
»Ich möchte zum Sojus-Hotel.«
Er wandte sich zu ihr um und musterte sie. »Sie wirklich wollen dorthin?«, fragte er in gebrochenem Englisch.
»Wieso? Was meinen Sie damit?«, erwiderte Dana verdutzt.
»Das ist nicht sehr gutes Hotel.«
Dana war mit einem Mal beunruhigt.
Will ich wirklich dorthin? Aber jetzt gibt's kein Zurück mehr.
Er wartete auf eine Antwort. »Ja. Ich – ich will wirklich dorthin.«
Der Fahrer zuckte die Achseln, fuhr los und fädelte sich in den Verkehr auf der verschneiten Straße ein.
Was mache ich, wenn in dem Hotel kein Zimmer für mich reserviert ist?
, dachte Dana.
Was ist, wenn das Ganze nur ein schlechter Scherz ist?
Das Sojus-Hotel befand sich an der Uliza Lewobereschnaja, in einem Arbeiterviertel am Stadtrand von Moskau. Es war ein altes, wenig einladend wirkendes Gebäude, braun gestrichen, von dessen Fassade überall die Farbe abblätterte.
»Wollen Sie, ich warten?«, fragte der Fahrer.
Dana zögerte einen Moment. »Nein.« Sie bezahlte das Fahrgeld, stieg aus und kämpfte sich durch den eisigen Wind zu dem Hotel durch. Eine ältere Frau saß an der Rezeption in dem heruntergekommenen Foyer und las in einer Illustrierten. Sie blickte verwundert auf, als Dana eintrat und auf sie zukam.
»Da?«
»Ich glaube, für mich ist hier ein Zimmer reserviert. Dana Evans.« Sie hielt einen Moment lang die Luft an.
Die Frau nickte bedächtig. »Dana Evans, ja.« Sie griff hinter sich und nahm einen Schlüssel von dem Brett an der Wand. »Vier-null-zwei, vierter Stock.« Sie reichte ihn Dana.
»Wo muss ich mich eintragen?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Kein Eintrag. Sie zahlen gleich. Ein Tag.«
Wieder war Dana mulmig zu Mute. Ein russisches Hotel, in dem sich ausländische Gäste nicht eintragen mussten? Irgendetwas stimmte hier nicht.
»Fünfhundert Rubel«, sagte die Frau.
»Ich muss erst Geld wechseln«, sagte Dana. »Später«.
»Nein. Jetzt. Ich nehme Dollars.«
»Na schön.« Dana griff in ihre Handtasche und holte eine Hand voll Scheine heraus.
Die Frau nickte, griff zu und nahm sich ein halbes Dutzend.
Ich glaube, damit hätte ich das ganze Hotel kaufen können.
Dana blickte sich um. »Wo ist der Fahrstuhl?«
»Kein Fahrstuhl.«
»Oh.« Einen Pagen gab es offensichtlich auch nicht. Dana nahm ihr Gepäck und stieg die Treppe hinauf.
Das Zimmer übertraf ihre schlimmsten Erwartungen. Es war klein und schmuddelig, das Bett ungemacht, die Vorhänge zerrissen. Wie wollte sich Boris mit ihr in Verbindung setzen?
Das kann nur ein schlechter Scherz sein,
dachte Dana.
Aber wieso macht sich jemand all die Umstände?
Sie setzte sich auf die Bettkante und blickte durch das schmutzige Fenster auf das Menschengetümmel drunten auf der Straße.
Ich habe mich zum Narren halten lassen,
dachte Dana.
Vermutlich hocke ich tagelang hier herum, ohne dass –
Jemand klopfte leise an die Tür. Dana atmete tief durch und stand auf. Wenn sie das Rätsel lösen wollte, dann jetzt, falls es denn überhaupt etwas zu lösen gab. Dana ging zur Tür und riss sie auf. Draußen auf dem Flur war weit und breit niemand zu sehen. Ein Briefumschlag lag am Boden. Dana hob ihn auf und nahm ihn mit hinein. Auf dem Zettel, der darin steckte, stand
WDNCh 21 Uhr.
Dana hatte keine Ahnung, was damit gemeint war. Sie öffnete ihren Koffer und suchte den Stadtführer heraus, den sie diesmal wohlweislich mitgenommen hatte. Da stand es:
WDNCh – Ausstellung der volkswirtschaftlichen Errungenschaften der UdSSR.
Sogar die Adresse war angegeben.
Um acht Uhr abends hielt Dana ein Taxi an. »Zum WDNCh. Dem Park.« Sie war sich nicht sicher, ob sie alles richtig aussprach.
Der Fahrer drehte sich zu ihr um: »WDNCh? Alles
Weitere Kostenlose Bücher