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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ersten Fremden sein, die Urapa wieder verlassen können.«
    Stricker hob resignierend beide Schultern – eine Bewegung, die man auch in Urapa verstand. Sikinika preßte beide Hände vor ihren schmalen Mund. Sie sah jetzt älter aus als auf dem Thron oder in ihrer göttlichen Starrheit. Stricker schätzte sie auf Ende Dreißig, wenn eine Schätzung überhaupt möglich war. Sie altert nie, dachte er. Sie kann zeitlos sein, auch wenn das biologisch völlig unmöglich ist. Aber ist hier in Urapa nicht alles unmöglich oder möglich? Wer ist der Vater des Kindes? Woher die Französischkenntnisse? Und ihr oberster Priester spricht Englisch!
    »Er darf nicht sterben«, sagte sie leise. »Ich flehe Sie an: Er darf nicht sterben.«
    »Dann gibt es nur einen Weg: Hinaus aus Ihrem verrückten Staat und in ein vernünftiges, modernes Krankenhaus! Wer oder was hindert Sie daran?«
    »Der Schwur der Könige …«
    »Wenn es so ist, dann opfern Sie Ihren Sohn diesem Blödsinn!« sagte Stricker grob. Ich habe nichts mehr zu verlieren, dachte er dabei. Aber sie muß nun entscheiden, was wichtiger ist: Göttin zu sein oder Mutter. Er ließ ihre Schultern los und wandte sich ab. Ihre Stimme hielt ihn zurück.
    »Bleiben Sie! Wo wollen Sie hin?«
    »Hinauf in meinen Käfig, zu den anderen. Ich habe Ihren Sohn berührt, ich kann ihn nicht retten, mein Schicksal ist jetzt mit ihm verbunden; darauf muß man sich vorbereiten. Dombono hat es deutlich genug gesagt.«
    »Ich habe Sie gegen seinen Willen rufen lassen. Ich habe den Widerstand aller Ärzte von Urapa brechen müssen. Ich habe ihnen befohlen, Sie zu holen! Nun stehen Sie da und tun nichts! Ist Ihnen Ihr Leben so wenig wert?«
    »Das ist eine Frage, die ich zurückgeben muß: Wieviel wert ist Ihnen das Leben Ihres Sohnes?«
    »Ich bin eine Mutter wie jede andere Mutter!« schrie sie. Ihre Augen flammten, die Hände ballten sich zu Fäusten.
    »Natürlich.« Stricker nickte kurz. »Ich habe mir auch schon überlegt, daß Sie Sikinophis nicht durch einen Adler vom Himmel geholt haben, sondern ihn wie alle Frauen unter Schmerzen geboren haben. Es gab oder gibt einen Vater, und Sie haben ein Herz, das lieben kann, und einen Körper, der in der Leidenschaft zittert. Ein göttliches Zittern, von mir aus! Und nun überlegen Sie, was stärker in Ihnen ist: die Staatsräson oder die Mutterliebe.« Doktor Stricker schüttelte den Kopf. »Dabei kann ich Ihnen nicht helfen, das müssen Sie allein mit sich ausmachen, Gottkönigin!«
    »Meine Ärzte werden operieren, und Sie werden ihnen die Anleitungen geben.«
    »Was soll dabei herauskommen? Wie kann ich eine Verantwortung übernehmen? Ich kenne den Stand Ihrer Medizin nicht.«
    »Dombono wird Ihnen alles zeigen. Wenn Sie es versuchen …«
    »Diese Operation ist zu ernst, um etwas zu versuchen! Nein! Das Testament Ihrer Könige hat Ihren Staat viertausend Jahre lang konserviert, aber ein Osteom läßt sich nicht aufhalten! Lassen Sie den Jungen nach Kampala bringen!«
    »Sie werden ihm helfen!« Ihr Arm mit dem ausgestreckten Zeigefinger stieß vor wie eine Lanze. Das für kurze Zeit menschlich gewordene Gesicht verwandelte sich wieder zur Maske. »Sie werden es tun. Die schöne weiße Frau an Ihrer Seite wird Sie darum bitten.«
    »Lassen Sie Veronika in Ruhe«, sagte Stricker heiser. Er verstand die versteckte Drohung, und er wußte, daß es ein menschliches Erbarmen bei diesen Menschen seit viertausend Jahren nicht mehr gab. »Ich habe noch nie ein Osteom operiert. Ich habe seit zwanzig Jahren nicht mehr mit einem Skalpell gearbeitet. Es wäre ein Verbrechen, zu operieren.«
    »Es ist ein noch größeres Verbrechen, meinen Sohn hilflos sterben zu lassen«, sagte sie kalt. »Dombono wird Ihnen morgen unser Krankenhaus zeigen.«
    Als Paul Stricker wieder die lange Leiter hinaufkletterte und seinen Käfig betrat, löste sich die nächtliche Dunkelheit in ein fahles Grau auf. Er setzte sich auf den Boden seines Käfigs und blickte dann nach links und nach rechts.
    Sie waren alle wach, standen an den Gitterstäben und starrten zu ihm herüber.
    »Gott sei Dank, Sie leben noch«, sagte Veronika. Ihre Stimme klang spröde wie zerbrochenes Glas.
    »Ich … ich habe für Sie gebetet …«, stammelte Albert Heimbach. Er war nicht wahnsinnig geworden. Neben Stricker wurde die Leiter wieder hinabgelassen, nur die Seile pendelten noch gegen die dicke Quadermauer.
    »Wir haben es nötig«, sagte Stricker schwer atmend. Die Anspannung der letzten Stunden

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