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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den späten Morgen. Wir haben viel Zeit …«
    Das ist immerhin beruhigend, dachte er. Der Vernichtungskampf der Frauen findet nicht statt. Noch nicht … Aber wir werden noch einige Wochen hierbleiben müssen, bis Sikinophis wieder die ersten Schritte macht. Einmal mußte es zur Katastrophe kommen.
    »Es wäre eine grausame Liebe, Sikinika«, sagte er.
    Sie schüttelte den Kopf wie ein trotziges Kind. »Nicht für mich! Ich will spüren, daß ich lebe.«
    »Und dann? Später? Du weißt, ich kann nicht hierbleiben. Ich eigne mich nicht zum Nebengott, auch wenn es mich reizen würde, Dombono unschädlich zu machen. Ich gehöre zu einer anderen Welt.«
    »Später?« Ihr herrliches Gesicht glänzte, ihre Augen waren wie entrückt. »Später werde ich ein Kind von dir haben.«
    »Und alles beginnt wieder von vorn! Bisher bist du eine Frau gewesen, die mächtig war durch ihren Verstand und durch rätselhafte magische Kräfte. Aber jetzt …«
    »… jetzt bin ich nur eine Frau. Gibt es etwas Schöneres, Liebster?«
    Sie lehnte den Kopf an seine Brust. Die Wärme ihres Körpers durchflutete ihn, und er gestand sich, daß es ein wundervolles Gefühl war, dem er im Grunde gar nicht entfliehen wollte. Mein Gott, wir verlieren wirklich den Verstand, sagte er zu sich. Wie lange hält das noch an? Wie lange wehre ich mich noch?
    Es waren Worte – so schwach wie ein Flüstern hinter einer Wand aus Watte. Sie hatten keine Kraft mehr, ihn zurückzuhalten. Er spürte es deutlich und drückte sein Gesicht in ihr weiches Haar. »Wir beschwören eine Katastrophe herauf«, sagte er, aber er konnte sich damit selbst nicht mehr überzeugen.
    »Ist das diese Liebe nicht wert?« fragte sie leise.
    »Du würdest zum zweitenmal die uralten Traditionen deines Volkes verraten!«
    »Zum erstenmal, Liebster.«
    »Und Sikinophis?«
    »Das war etwas anderes.«
    »Er hatte doch einen Vater …«
    »Er hieß René Harthricourt. In Nizza geboren.«
    »Du hast ihn auch geliebt.«
    »Nein! Ich habe ihn köpfen lassen!« Sie sagte das ganz ruhig, ohne eine Spur von Haß in der Stimme. »Sein Kopf stak ein Jahr auf der Tempelspitze, bis irgendein großer Vogel ihn wegholte.«
    Er atmete tief. »Siehst du«, sagte er. »Für so eine Zierde eigne ich mich nicht.«
    »Du bist nicht René Harthricourt. Ich habe nie so bei ihm gesessen wie hier bei dir. Er hat mich nur ein einziges Mal berührt.«
    »Aber das genügte.«
    »Darum wurde er geköpft.« Sie küßte seine Arme.
    »René Harthricourt kam nach Urapa, weil er einem Schmetterling nachjagte«, sagte sie. »Ist das nicht verrückt? Er sammelte Schmetterlinge, und der, den er verfolgte, war so groß wie eine Hand und rot wie Blut … Willst du mehr wissen, mein Liebling?«
    »Ja …«
    Und die Göttin von Urapa begann zu erzählen.

22
    Vor sechzehn Jahren war der Biologe und Schmetterlingssammler René Harthricourt nach Uganda gekommen: ein Mann Mitte der Dreißig, groß, blondhaarig, nicht eigentlich der Typ eines Südfranzosen, aber er besaß Charme, der ihn in der Gesellschaft zum bevorzugten Konversationsobjekt der Damen werden ließ. Er war das gewöhnt. Auch bewältigte er die üblichen Liebschaften ohne peinliche Skandale; er rettete sich immer rechtzeitig vor einem Ehering, und zudem konnte er – Sohn einer französischen Sektkellerei – sich's leisten, als Privatgelehrter seinen unbedeutenden biologischen Forschungen und seinen Schmetterlingen nachzugehen.
    Ein beiläufiger, von kaum einem Leser beachteter Hinweis in einem Reisebericht aus Uganda – speziell auf das Ruwenzori-Gebirge bezogen –, daß es dort eine seltene Art von Riesenschmetterlingen gäbe, war Anlaß genug, René Harthricourt auf den Weg nach Ostafrika zu bringen. Er war nicht ungeübt im Reisen. Er hatte bereits Schmetterlinge in Indonesien, Ceylon und Brasilien gejagt. Er kannte fast alle Arten der schillernden Tierchen in Bolivien, Paraguay und Nikaragua, und seine Raritäten aus Burma und Nepal waren unter Sammlern berühmt. Solange der Sekt aus den elterlichen Flaschen floß, war René Harthricourt Weltenbummler aus Passion.
    In Uganda durchstreifte er sechs Wochen das Land des alten Königreichs TORO, ohne den großen Schmetterling entdeckt zu haben. In die Mondberge stieg er ein paarmal hinein, immer mit eingeborenen Führern, aber da es die typischen Touristenstrecken waren, gab René diese Exkursion bald auf. Wo europäische Touristen an Lagerfeuern Rheinlieder sangen, war er sicher, den geheimnisvollen

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