Wen die Sehnsucht besiegt
erreichen, wo die anderen warteten. Bald mußten Tode und der Fahrer mit dem unseligen Vehikel eintreffen, das Rhys »Drachenwagen« nannte. Und dann würden sie zur nächsten Tagesreise aufbrechen.
Jamie wußte, daß es seine Pflicht wäre, das Lager sofort aufzusuchen. Doch er folgte einem Impuls, ritt einen Hang hinauf, zu einer hohen Eiche, die angenehmen Schatten spendete. Es war nicht leicht, aber er schaffte es, aus dem Sattel zu steigen, ohne Axia zu wecken, die er in den Armen hielt. Behutsam setzte er sich mit ihr unter den Baum, und sie kauerte in seinem Schoß.
Fast eine Stunde lang schlief sie, und er umfaßte ihre Hand. Nie zuvor war ihm bewußt geworden, wie klein und zierlich sie war. Ihr Kopf reichte nicht einmal bis zu seinem Kinn. Und sie erschien ihm federleicht. Seine Beschützerinstinkte erwachten. In diesem Augenblick fühlte er sich wie der Mann, den sie auf dem Wagen gemalt hatte.
Er umarmte sie noch fester, lehnte seinen Kopf an den Baumstamm und schlief ein.
Wenig später wurde er unsanft geweckt.
»Laßt mich los! « fauchte Axia und stieß ihren Ellbogen zwischen seine Rippen. »Haltet Ihr mich für ein leichtfertiges Mädchen, mit dem man sich so was erlauben darf? « Jamie blinzelte sie an. Zunächst wußte er nicht, wo er sich befand und was geschehen war. Verwirrung - konnte das neuerdings sein normaler Zustand sein? Seit er sich über Maidenhalls Mauer geschwungen und diese ungewöhnliche junge Frau kennengelemt hatte…
Wütend starrte sie ihn an, saß aber immer noch auf seinem Schoß. »Glaubt Ihr vielleicht, daß ich eine zweite Diana bin? «
Wäre eine andere Frau in seinem Schoß erwacht, hätte er sie geküßt. Wortlos schob er sie seitwärts ins Gras, stand auf und ging zu seinem Pferd.
Auch sie war verwirrt. Umarmte er jede Frau, die ihm über den Weg lief? »Wüstling! « rief sie, allerdings nicht so entrüstet, wie es diese Anschuldigung erfordert hätte. Dann erhob sie sich und wischte den Staub von ihrem Kleid. »Ich will nicht… «, begann sie, als er zu ihr kam. Aber sein Arm umschlang ihre Taille so fest, daß ihr die Luft wegblieb. Dann trug er sie zu seinem Pferd und hob sie empor - etwas zu hoch, so daß sie unsanft in den Sattel aus Holz und Leder fiel. »Autsch! « kreischte sie. Grinsend stieg er hinter ihr auf. Sobald das Pferd lostrabte, lehnte sie sich wieder an ihn, auf eine vertraute Weise, die ihn irgendwie beglückte. Nein, sie hielt ihn nicht für einen Wüstling. Am liebsten hätte er sie geküßt.
Nach einer Weile erklärte sie leise: »Auf dem Markt gab’s mehrere Käse zur Auswahl, und ich entschied mich für die harte, weiße Sorte, die Euch am besten schmeckt. « »Tatsächlich? « fragte er in beiläufigem Ton, aber sein Herz schlug schneller vor Freude. Zum erstenmal hatte sie etwas für ihn getan. Noch besser - sie wußte, was er mochte. »Maidenhall hat mir eine Börse für die Reisespesen geschickt. Und da Ihr heute so viele Lebensmittel erworben habt, kann ich Geld sparen. «
Sie drehte sich in seinen Armen um und schaute ihn an. »O Jamie, ich helfe Euch gern, die Kosten zu senken. Heute morgen fand ich’s wundervoll, auf dem Markt zu kaufen und zu verkaufen, zu handeln und zu feilschen. « Schüchtern wich sie seinem Blick aus. »Vielleicht habe ich’s ganz gut gemacht. «
Lächelnd betrachtete er ihren Scheitel. »Sogar großartig. « »Meint Ihr das ernst? «
»O ja. Ihr seid nicht nur eine talentierte Malerin, sondern auch eine ausgezeichnete Geschäftsfrau. «
Jetzt sah sie ihn wieder an. »Sicher habt Ihr schon bessere Bilder gesehen als meine. «
»Nein, nirgendwo auf der Welt. «
Ihr Mund klappte auf und zu. Offenbar suchte sie erfolglos nach Worten, und das gefiel ihm. Schließlich wechselte sie das Thema. »Ich habe gemerkt, daß ihr Mandeln mögt. Also werde ich eine Ente mit Mandeln füllen - und hier… « Sie griff in ihren Ausschnitt und zog ein paar Salbeizweige hervor. »Das habe ich gefunden. Und ich dachte, damit könnte ich die Füllung würzen. « »Jeden einzelnen Bissen werde ich in vollen Zügen genießen«, erwiderte er leise.
Diese zweideutigen Worte verstand sie nicht sofort, aber dann errötete sie. Natürlich, er spielte auf den Salbei an, der zwischen ihren Brüsten gesteckt hatte. Verlegen wandte sie sich ab, lehnte sich jedoch wieder an seine Brust. Als das Lager in Sicht kam, fragte sie: »Darf ich Euch helfen, die Reisekosten zu senken? Ich mache mich gern nützlich. « »Wenn Ihr
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