Wen die Sehnsucht besiegt
umgehen. Offenbar steckte ein Körnchen Wahrheit in Frances’ Worten.
»Habt Ihr einen bemalten Wagen gesehen… «, begann er sich bei den Leuten zu erkundigen, sobald er den Dorfrand erreichte. Sofort verstummte er wieder, weil jemand auf ihn zeigte.
»Das ist er! Der Drachentöter! Der Löwenkämpfer! « Zähneknirschend ritt Jamie weiter. Nun bestand kein Zweifel mehr - Axia war hier, und alle hatten seine Konterfeis auf diesem gräßlichen Wagen gesehen.
Wieder einmal gelang es ihr, ihn zu demütigen. Achtundzwanzig Jahre lang war er stolz und würdevoll durch sein Leben gegangen, aber Axia hatte es in eine Farce verwandelt. »Eine griechische Tragödie«, murmelte er, während er sein Pferd durch das Gedränge lenkte. Ein paar hundert Leute hatten sich versammelt, um zu kaufen, zu verkaufen, zu handeln und zu feilschen oder einander einfach nur zu treffen.
»Drachentöter! « Von allen Seiten drang der Ruf zu ihm. Seltsam, dachte er zynisch, trotz der immer noch sichtbaren Kratzer auf meiner Wange und dem leicht verfärbten Auge erkennen sie mich.
Am anderen Ende des Dorfes entdeckte er eine große Menschenmenge, und über den Köpfen prangten die Farben von Axias Wagen. Und da hörte er auch ihre Stimme. Wie konnte eine so zierliche Person dermaßen laut schreien?
Um sich dem Wagen zu nähern, mußte er um das Getümmel herumreiten. Was da vorging, konnte er nur sehen, weil er auf einem hochtrabendem Hengst saß.
Tode hatte ihm mitgeteilt, im Keller des Maidenhall — Hauses würden Stoffballen lagern. Und Jamie hatte beschlossen, einige mitzunehmen, weil er sich als Tuchhändler tarnte. Natürlich hatte er nicht im Traum daran gedacht, irgend etwas zu verkaufen. Nun stellte er fest, daß der Wagen genau für den Zweck gebaut worden war, dem er jetzt diente. An einer Seite war ein Großteil des Drachenbauchs hochgeklappt, von zwei Pfosten festgehalten, die in Eisenringen steckten. Als Ladentisch fungierte ein Brett, wahrscheinlich an der Innenwand befestigt und ebenfalls klappbar. An einer Seite der Öffnung hing eine Stoffbahn. Zweifellos versteckte sich Tode dahinter, geschützt von neugierigen Blicken. Und Axia stand hinter dem Ladentisch, neben Roger, der ihren Anweisungen folgte, beflissen Stoffballen auseinanderrollte, einzelne Teile maß und abschnitt.
Was Jamie am meisten verblüffte, waren die zahlreichen Interessenten, die sich vor dem Wagen drängten. Hatten sie noch nie einen Tuchhändler gesehen? Oder wurden sie nur von den bunten Bildern angelockt? Wohl kaum, denn das Geschäft blühte. Roger und Tode - hinter dem Vorhang verborgen - hatten alle Hände voll zu tun, um die gewünschten Stoffstücke abzuschneiden. Im Innern des Wagens waren die Stapel der dicken Ballen sichtlich geschrumpft. An ihrer Stelle entdeckte Jamie ein Käserad, mehrere Mehlsäcke, eine Rinderkeule. Und falls ihn nicht alles täuschte, tummelten sich auf der Ladefläche, die er nur teilweise überblicken konnte, ein paar Hühner. Während er sich einen Weg durch die Menge bahnte, hörte er wieder Axias Stimme. Verwundert zügelte er sein Pferd.
»Meine Ahnen waren die größten Kaufleute von der Welt«, schrie sie, obwohl sie sich an einen Mann wandte, der dicht vor ihr stand. »Lieber verschenke ich diesen Stoff, ehe ich den Bettel annehme, den Ihr mir bietet. Seht Ihr diesen Glanz? Das sind Drachenschuppen. Habt Ihr Euch nie gefragt, was mit den hingemetzelten Drachen aus alten Zeiten geschehen ist? Die großen Ritter erstachen sie, gewiß, aber meine Ahnen zogen ihnen die Haut ab. Die wurde gepökelt, mitsamt den Schuppen, und von den nächsten Generationen verwahrt. Die wußten nicht recht, was sie damit anfangen sollten. Doch dann fand meine Großmutter, gesegnet sei ihr Name, Mittel und Wege, um die Schuppen zu Fäden zu spinnen. Und mein begnadeter Großvater überwachte die riesigen Webstühle, wo man die Schuppen zu Tuch verarbeitete. Seht Ihr, wie das Drachentuch in der Sonne schimmert? Drachentuch zu verkaufen! Unverwüstliches Drachentuch! «
Es dauerte eine Weile, bis Jamies Gehirn den Sinn dieser Lügen erfaßte. Drachentuch? Unverwüstlich? Alle ritterlichen Gelübde, die er jemals abgelegt hatte, empörten sich. Wie konnte sie nur so schwindeln?
Aber er verschwendete keine Zeit mehr mit solchen Überlegungen, zwängte sein Pferd durch die Menschenmenge und hielt direkt vor dem Wagen an.
»Was… « Axia stöhnte gequält. »Schließt den Laden, meine Freunde! « rief sie Tode und Roger zu. »Der
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