Wen die Sehnsucht besiegt
worden? Allem Anschein nach hatte Frances keinen Widerstand geleistet. Sie selbst hätte geschrien, sich erbittert gewehrt, und wahrscheinlich wäre sie getötet worden.
Schweren Herzens fragte sie einen Diener nach dem Weg zur Schloßkapelle. Dort betete sie, Frances möge nicht herausfinden, daß man sie tatsächlich entführt hatte. Wenn sie dem Schurken ihre Angst zeigte, würde er womöglich etwas tun, was ihr ansonsten erspart bliebe. Und dann betete Axia um die Sicherheit ihrer Kusine. Inständig hoffte sie, das Mädchen möge ihr verzeihen. Und obwohl sie kein Recht dazu hatte, flehte sie den Allmächtigen an, sie vor dem Zorn ihres Vaters zu schützen.
17
Tode war dem Alkohol keineswegs verfallen, aber jetzt hätte er sich am liebsten darin ertränkt, um alles zu vergessen. So wie Axia bezweifelte er nicht, daß ihr Vater mit einer ganzen Armee in Tevershams Schloß eintreffen würde. Vor seinem geistigen Auge sah er das Mädchen bereits angekettet in einem Maidenhall-Wagen liegen.
Nicht nur Axia schwebte in Gefahr. Was würde Frances zustoßen, die sich in der Gewalt eines Entführers befand? Jamie befragte gerade alle Haushaltsmitglieder, ob sie etwas gehört oder gesehen hätten. Bis jetzt gab es keinerlei Anhaltspunkte.
Auf Jamies Wunsch saß Axia in ihrem Zimmer und zeichnete Porträts von Frances. Diese Bilder wollte er den Männern übergeben, die in der Nähe des Teversham-Anwesens Erkundigungen einziehen würden.
Während Tode sich um Frances sorgte, kehrten seine Gedanken immer wieder zu Axia zurück, deren Freiheit ein viel zu frühes Ende fand. Bald würde Maidenhall erscheinen und sie zu Gregory Bolingbrooke bringen.
Tode erschauerte. Wenn Gregory auch in Geld schwamm er hatte als Kind einen Unfall erlitten und war kein ganzer Mann. Also durfte Axia nicht auf ein normales Eheleben und Kinder hoffen.
Um das geheimzuhalten, hatte sein Vater im Lauf der Jahre eine Menge Schweigegeld bezahlt. Aber manchmal erwies sich Todes häßliches Narbengesicht als vorteilhaft. Was ein Spaßmacher erfuhr, interessierte niemanden. Fahrende Sänger und Schauspieler tratschten gern, und so war es ihm nicht schwergefallen, Informationen über die Bolingbrookes zu sammeln. Deshalb wußte er, was Axia erwartete. Doch sie würde Maidenhall gehorchen und ihren Verlobten klaglos heiraten.
Weil Tode seiner geliebten Freundin das traurige Los erleichtern wollte, hatte er ihr geholfen, die arme Kusine der Maidenhall-Erbin zu spielen und ein bißchen Freiheit zu genießen. Und nun war alles schiefgegangen. Frances befand sich in höchster Gefahr, und Axia mußte den Groll ihres Vaters fürchten.
»Hätte ich doch besser für die beiden gesorgt! « murmelte Tode vor sich hin. »Ich muß etwas tun… « Heftige Gewissensbisse plagten ihn, da er Axia ihrer Kusine stets vorgezogen hatte. Obwohl er von Maidenhall beauftragt worden war, auch Frances zu betreuen, hatte er sie immer vernachlässigt. In ihrer Einsamkeit hatte sie beschlossen, den erstbesten Mann zu heiraten, der ihr über den Weg lief -James Montgomery.
Im Augenblick konnte man nichts anderes unternehmen, als abzuwarten. Jamie wollte mit Thomas am nächsten Morgen in die Umgebung reiten, während der verletzte Rhys im Schloß blieb. Zweifellos mußte auch Tode hier ausharren, da er ihnen nur zur Last fallen würde. Nun überlegte er, ob Axia die Männer begleiten sollte. Wohl kaum. Jamie nahm nicht an, daß ihr Maidenhalls Armee ein Leid antun könnte, denn er hielt Frances für die Erbin. Nur Tode, Axia und ihre Kusine kannten die Wahrheit. Seit der Ankunft in Tevershams Schloß bewohnte er den Geräteraum im Stall. Auf Maidenhalls Landsitz hatte er sich zwar an einen gewissen Komfort gewöhnt, aber nun nahm er gern einige Unannehmlichkeiten in Kauf, um sein Gesicht zu verstecken. Trotzdem hinkte er nun, auf seinen knorrigen Stock gestützt, an den Boxen vorbei und suchte den Jungen, der den Entführer gesehen hatte.
Ärgerlich striegelte der Bursche ein großes Pferd. »Geht weg! « fauchte er, ohne aufzublicken. »Ich habe nichts mehr zu erzählen. «
Da Tode jahrelang hinter den Kulissen gesessen und das Schauspiel des Lebens beobachtet hatte, konnte er recht gut Gedanken lesen. Deshalb erahnte er die Eifersucht des Jungen. »Oh, ich wollte dir nur sagen, daß du besser auf eine Frau aufpassen kannst als er. Immerhin hast du deine nicht verloren. « Langsam wandte er sich ab.
Wartet! « rief der Junge und versuchte, unter die Kapuze zu spähen, als
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