Wen die Sehnsucht besiegt
bot ihm ein Stück Land an, das in jedem Frühling überschwemmt wird. Außerdem ein paar heruntergekommene Hütten und alte, klapprige Gäule. Aber Jamie weigerte sich, ihn mit seiner Schwester zu verheiraten. Einmal versuchte Oliver sogar, sie zu entführen. « »Entführen? « wiederholte Tode atemlos.
»Er steckte sie in einen Sack und schleppte sie davon. « »Und was geschah dann? «
Rhys brach in Gelächter aus. »Nun, er sieht sehr schlecht, und deshalb erwischte er die falsche Schwester, Joby. Die kennt Ihr nicht, Tode, aber glaubt mir - kein Mann würde es wagen, sie zu ärgern. Lieber würde ich einen Beutel voller schottischer Wildkatzen öffnen als einen Sack, in dem eine wütende Joby sitzt. «
»Wie Axia«, meinte Tode leise, und Rhys lächelte träumerisch.
»Nein, die beiden gleichen sich nicht. Axia erzürnt nur einen einzigen Mann, und Joby macht allen das Leben schwer. Abgesehen von Jamie und Berengaria. Nun will ich Euch erzählen, was sie Edward angetan hat. «
Nun folgte eine langwierige, komplizierte Geschichte, und Tode hörte nicht mehr zu. Was er wissen wollte, hatte er erfahren. Sicher würde er auch herausfinden, wo dieser Henry Oliver wohnte. Zweifellos brachte er Frances in sein Haus. Kein Wunder, daß Jamie die Nachricht nicht verstand: »Ihr habt mir meine Frau weggenommen, und jetzt entführe ich Eure. « Da Jamie seine Schwester niemals mit diesem Mann verheiraten würde, dachte er natürlich nicht an ihn.
Als Tode aus dem Zimmer ging, überlegte er wieder, ob er Jamie informieren sollte. Besser nicht. Der Earl würde sofort zu Oliver reiten und Axia zurücklassen. Aber es war Axia, die beschützt werden mußte.
Wie kann ich Axia und Jamie aus dem Teversham-Schloß entfernen, bevor er erfährt, was ich weiß, fragte sich Tode. Und wie soll ich Jamie veranlassen, Axia zu schützen, während ich mich um Frances kümmere?
18
Ärgerlich zerknüllte Jamie das Pergament. Diese Nachricht würde er niemandem zeigen. Er fühlte sich so töricht und hilflos. Warum erriet er nicht, wer Frances entführt hatte? Nach dem Wortlaut der ersten Mitteilung zu schließen, müßte er es wissen.
Seit zwei Tagen hatte er nicht mehr geschlafen, dunkle Bartstoppeln bedeckten sein Gesicht. Aber er würde sich keine Ruhe gönnen, ehe er das Rätsel gelöst hatte. Irgendwo mußte es einen Anhaltspunkt geben. Soeben hatte er Thomas gebeten, den Stallburschen zu holen, als die zweite Nachricht eingetroffen war. Jamie wurde aufgefordert, nach Westen zu reiten und im Haus seines Onkels auf weitere Informationen zu warten. Aber es war vor allem das Postskriptum, das ihn verwirrte: »Paßt besser auf Eure Frauen auf. «
Keine »Frau«, sondern »Frauen«. Vielleicht ein Irrtum. Oder dem Schreiber war der Federkiel ausgerutscht. Vermutlich meinte er, nur Frances sei in Gefahr, keine andere Frau.
Dieses Pergament hatte Jamie auf seinem Bett gefunden, und das gab ihm zu denken. Offensichtlich stammte die Nachricht von einem Mitglied des Teversham-Haushalts -von einer Person, die sich frei bewegen konnte, ohne irgend jemandem aufzufallen.
Allzuviel Zeit durfte Jamie nicht verlieren. Er würde zum Haus seines Onkels reiten und auf weitere Instruktionen warten. In der Zwischenzeit mußten Tode und Thomas für Axia sorgen und sie von hier wegbringen. Das waren die beiden Männer, denen er rückhaltlos vertraute.
Eine halbe Stunde fluchte er wütend, denn Thomas und Tode litten an heftigen Magenkrämpfen. Aschfahl, mit schmerzverzerrtem Gesicht, floh Thomas auf die Toilette.
Und Tode war so geschwächt, daß er kaum den Kopf heben konnte, als er Jamies Arm umklammerte. »Laßt nicht zu, daß der Entführer auch Axia holt! Ihr müßt sie schützen. Hier ist sie nicht sicher. Dieser Mann brachte Frances vor den Augen zahlreicher Leute weg. Genausogut könnte er Axia entführen. «
Damit sprach er Jamies schlimmste Befürchtungen aus. Wie Axia erklärt hatte, wußten die Schloßbewohner, daß Frances die Maidenhall-Erbin war. Und weil die Kusine sie auf der Reise begleitete, würde man vielleicht annehmen, auch sie wäre ein hohes Lösegeld wert.
Da Jamie seit zwei Tagen kein Auge zugetan hatte, war ihm jedes Zeitgefühl abhanden gekommen. Und so stürmte er ein paar Stunden nach Mitternacht in Axias Zimmer. Keine Zofe leistete ihr Gesellschaft, schutzlos war sie allen Gefahren ausgeliefert.
Als er ihre Schulter berührte, kroch sie noch tiefer unter die Decke, und er zog sie mühsam hervor. »Steh auf,
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