Wen die Sehnsucht besiegt
grauenvolle Stunden waren vergangen, seit er sich hinter Axias Wandschirm versteckt hatte. Als Rhys versucht hatte, dem bemalten Wagen zu folgen, war er von einem Pfeil ins Bein getroffen worden. Nur zufällig entdeckte er den Wagen, als er von der Falkenjagd mit Lachlan zurückkehrte. Er dachte, das Vehikel sollte repariert werden, beschloß aber, sicherzugehen. Knapp hundert Schritte von dem Wagen entfernt, bohrte sich ein Pfeil in sein Bein. Daran steckte eine Nachricht in ungelenker Handschrift. »Ihr habt mir meine Frau weggenommen, und jetzt entführe ich Eure. «
Erleichtert hatte Jamie festgestellt, daß sein Gefolgsmann nicht in Lebensgefahr schwebte. Aber er wußte noch immer nicht, wer mit Frances geflohen war. Wie konnte jemand in Lachlans Anwesen eindringen und das Mädchen unbemerkt wegbringen, inmitten von ein paar hundert Leuten? Vermutlich hatte der Schurke die arme Frances bedroht, um sie gefügig zu machen. Sonst hätte sie sicher Alarm geschlagen.
Nun las Jamie die Nachricht ein zweites Mal. Das ergab keinen Sinn. Wer hatte das getan? War es gegen ihn persönlich gerichtet, oder hing es mit der Maidenhall-Erbin zusammen?
Nur eins stand fest - Axia und Tode wußten viel mehr, als sie verrieten. Die beiden saßen nebeneinander, und Jamie ging rastlos auf und ab. »Macht endlich den Mund auf, oder… «
»Oder was werdet Ihr tun? « fragte Axia herausfordernd. »Lieber esse ich lebende Frösche, als Euch irgendwas zu erzählen. Nicht, daß ich was wüßte. Aber ich hab’s satt, dauernd angeklagt zu werden. Es ist nicht meine Schuld, daß Rhys von einem Pfeil getroffen wurde. Falls Ihr Euch erinnert, er bat mich um meine Hand, und ich glaube, ich werde ihn heiraten, sobald ich ihn gesund gepflegt habe. Und dann… «
»Axia und Frances wollten eine Entführung vortäuschen«, sagte Tode müde.
»Tode! « rief sie vorwurfsvoll. Obwohl er sich nicht zu ihr wandte, las sie den Zorn in seinen Augen.
»Habt Ihr noch immer nicht begriffen, daß Frances tatsächlich entführt wurde? Wir haben keine Ahnung, wo sie steckt, und wenn der Schurke die Maidenhall-Erbin erkannt hat, wird er ein hohes Lösegeld verlangen. « Plötzlich wurde ihr klar, in welcher Gefahr sich Frances befand. Sollte der Kusine etwas zustoßen, wäre Axia dafür verantwortlich.
»Warum? « James musterte Tode und versuchte, seine Wut zu bezähmen.
»Nun, Ihr sagtet, Ihr würdet Perkin Maidenhall brieflich um die Erlaubnis bitten, seine Tochter zu heiraten«, erklärte Tode. »Daran wollte Frances Euch hindern, weil sie weiß, ihr Vater würde ihr niemals gestatten, einen anderen Mann zu ehelichen als den vorgesehenen Bräutigam. Und da sie gegen ihren Willen mit Gregory Bolingbrooke verlobt worden war, versuchte sie, Euch zu einer heimlichen Hochzeit zu überreden… «
Bedrückt blickte er zu Jamie auf, den er bisher für einen guten, sanftmütigen Mann gehalten hatte. Nun wußte Tode, warum der Earl den Ruf eines ausgezeichneten Soldaten genoß.
Gnadenloser Zorn hatte Jamies Augen verdunkelt, und Tode fuhr mit einem Finger in seinen Hemdkragen, als wäre ihm heiß geworden. »Als Frances erfuhr, daß Ihr den Brief abgeschickt habt, fürchtete sie, ihr Vater würde eine Armee hierherschicken. Deshalb beschlossen wir, sie wegzubringen. Wir dachten, Ihr würdet ihr folgen, Sir, und dann wärt Ihr nicht da, wenn Maidenhalls Männer ankommen. «
»Und so habt Ihr geplant, eine Entführung vorzutäuschen«, sagte Jamie tonlos.
»Nein, das war meine Idee«, gestand Axia seufzend. »Damit hatte Tode nichts zu tun. Leider schlief ich ein, bevor ich den Plan durchführen konnte. «
Zum erstenmal, seit Tode den Raum betreten hatte, schaute er Axia an. Wie tapfer sie war…
»Und was für Geheimnisse habt Ihr sonst noch? « fragte Jamie.
»Keins, das mit der Entführung zusammenhängt«, erwiderte sie wahrheitsgemäß, denn jetzt ging es in erster Linie um Frances’ Sicherheit.
»Ihre Schuld war’s nicht«, beteuerte Tode hastig, bevor Jamie ihr eine weitere Frage stellen konnte.
»Sie wollte Frances retten. Könnt Ihr Euch vorstellen, was Maidenhall der armen Axia antun wird? Er glaubt, die beiden Kusinen müßten aufeinander aufpassen. « Krampfhaft schluckte Tode.
»Aber es war Frances, die Euch vor den Traualtar schleppen wollte. Wäre ihr das gelungen, würde Maidenhall die Ehe natürlich annullieren lassen, und wenn er halb London kaufen müßte, um das zu erreichen. «
»Ja, ich verstehe«, sagte Jamie nach einer
Weitere Kostenlose Bücher