Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch
an, der soll uns holen.
18.45 Uhr Puh, endlich wieder zu Hause, endlich allein. Abergarantiert nicht lange, Paps hat mich eben schon so vielsagend angeguckt, der will bestimmt gleich reden. Und Rosalie hat’s natürlich bemerkt und mir ans Schienbein getreten. Aber jetzt brauche ich erst mal ein paar Minuten für mich allein, ich muss innerlich aufräumen.
19.00 Uhr Den Moment, als eben im Freibad meine Laune kippte, kann ich genau benennen. Das war nicht, als Vicky und ich uns anzickten, das habe ich locker weggesteckt. Seltsamerweise passierte es, als Jakob sich auf mein Handtuch fallen ließ und sagte, ich sei echt süß.
Aber warum hat mir das die Laune verhagelt?
Ich fang noch mal von vorn an:
Als ich da so friedlich auf meinem Handtuch lag und schrieb, fiel plötzlich ein Schatten auf mein Tagebuch und jemand spritzte mir ein paar Tropfen Wasser auf den Rücken. Iiiiiiiii, kreischte ich, sah hoch, und da stand Jakob. Ich zupfte unauffällig mein Bikinioberteil an die richtige Stelle, schielte über meinen Sonnenbrillenrand und sagte: »Hi«. Gerade wollte ich mich freuen, da tauchten hinter ihm die anderen auf: Tom, Vicky, Nina, Benny und Frettchen-Jan.
Vicky ging betont desinteressiert an mir vorbei, ganz Alphatier, das keine Notiz von so einem kleinen Loser wie mir nimmt. »He, Jake, du wolltest doch vom Fünfer springen. Oh, hi Lilia, auch hier.« Schon war sie weg.
Aber die Jungs blieben bei mir stehen, hähä, bin also doch nicht ganz unten in der sozialen Hackordnung. Und nach ein paar Schritten kam Vicky zurück. Wenn Blicke töten könnten,hätte mir kein Arzt mehr helfen können, so giftig sah sie mich an.
»Was schreibst du denn da?«, fragte Jakob, warf sich neben mich aufs Handtuch und griff nach meinem Tagebuch.
»Vokabeln.« Ich klappte das Buch zu und legte mich schnell drauf.
»Nee, echt jetzt.«
»Ist nur was für mein Bio-Referat.«
»Lilia schreibt Tagebuch«, kreischte Vicky. »Jake, wusstest du das nicht? Sie schreibt von morgens bis abends. Ist ’ne Krankheit. Heißt Diary-Diarrhoe. Wortdurchfall. Sie kann die Wörter nicht halten, die plumpsen einfach durch ihre Hirnwindungen durch und ihr Tagebuch ist so eine Art emotionale Kloschüssel für sie.«
»Interessanter Einblick in deine Gedankenwelt«, sagte ich und stopfte mein Tagebuch in den Rucksack. »Erzähl mehr von dir!«
Die anderen lachten. Sie hielten das für einen witzigen Schlagabtausch, dabei war es bitterer Ernst.
»Du hast gestern eine Wette verloren«, sagte Jakob und lächelte mich an. Da waren sie wieder ganz nah, die Lippen, die ich geküsst hatte.
»Stimmt, ich erinnere mich.« Ich setzte mich auf, schob meine Sonnenbrille ins Haar und grinste cool. »Mal gewinnt man, mal verliert man.«
»Und manchmal sind die Dinge anders, als man denkt«, führte Jakob meinen Satz fort. Er kniete sich neben mich und kam meinem Gesicht näher als unbedingt notwendig.
»Halt die Klappe, Jake«, sagte Tom scharf.
»Ich sag ja gar nichts!« Jakob kam mir noch ein bisschen näher.
Tom wandte sich ab und ging.
Plötzlich wirbelte etwas Blauweißes in mein Blickfeld. Rosalie. Sie schnaubte und schniefte, ihre Brille hing schief.
»Lilia, die großen Jungs machen meine Flüsse kaputt!« Ihre Stimme war ganz schrill.
»Gehört der Gnom zu dir?«, fragte Vicky spitz. Rosalie sah im Badeanzug tatsächlich ein bisschen seltsam aus, mager und knochig wie sie nun mal ist.
»Rosalie, du musst dich endlich mal selbst wehren«, knurrte ich. »Sag ihnen einfach, dass sie das lassen sollen.«
Etwas in meinem Tonfall ließ die Rosine aufhorchen. Sie blickte von mir zu Vicky und dann weiter zu Jakob, Benny und Jan.
»Okay«, seufzte sie und trottete zurück zum Sandkasten.
Ich folgte ihr mit den Blicken. Die Jungs, von denen sie gesprochen hatte, waren zu dritt, und sie waren mindestens acht Jahre alt. Es machte ihnen sichtlich Spaß, in Rosalies Flussläufe zu hüpfen, dass der Matsch nur so spritzte.
»Deine Schwester sieht dir total ähnlich.« Das kam von Vicky. War klar, dass sie das nicht als Kompliment gemeint hatte. Jan lachte meckernd.
»Danke!«, sagte ich trotzdem.
Rosalie stand jetzt am Sandkastenrand und schrie die Jungs an. Die fanden das noch viel lustiger, aber die kleine Rosine ließ sich nichts bieten. Mutig war sie, das musste man ihr lassen. Sie ging auf die Rüpel zu, redete auf sie ein und gestikulierte. Jetzt kamen die drei bedrohlich näher.
»Dein Gnom hat ein Problem«, sagte Vicky.
»Man kann
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