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Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch

Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch

Titel: Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Andeck
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vor Wut.
    Ich richtete mich auf. »Du hast gelauscht!«
    »Musste ich gar nicht. Ihr habt so laut geflüstert, ich konnte den Fernseher fast nicht verstehen!« Sie grinste frech.
    »Na, dann sag mir jetzt mal: Warum hast du das blöde Papiergefuttert? Und warum wolltest du tot sein?« Das mit Niklas hätte ich wirklich nicht weitertratschen sollen, aber Angriff war in diesem Fall die beste Verteidigung.
    »Du sollst mich damit nicht direkt frottieren«, sagte Rosalie. »Du sollst erst mit mir im Sand buddeln und dann vorsichtig fragen.«
    »Vergiss es, du Ratte. Du sagst jetzt, was los ist, oder ich dreh sofort um und du kannst den Sand vergessen.«
    Und dann schlug Rosalie mir einen Pakt vor: Sie würde mir alles erzählen und ich müsste überhaupt nicht mit ihr im Sand spielen, wenn ich dafür heute Abend Paps erzählen würde, dass sie unbedingt einen Hund haben müsse, damit es ihr besser ginge. Ja, so hatte sie sich das gedacht.
    »Moment«, sagte ich. »Ich lüge Paps nicht an!«
    »Musst du gar nicht«, piepste sie. »Mir geht es schlecht und ich brauche wirklich einen Hund!«
    »Fang noch mal von vorn an. Was war denn das mit dem Papier? Warum hast du es gegessen?«, fragte ich. Ich setzte mich auf das Geländer vorm Eingang und verschränkte die Arme vor der Brust, ein Bild des Protestes. Wenn Rosalie nicht auspacken wollte, würde ich keinen Fuß ins Freibad setzen, so viel war sicher.
    »Hab ich doch gar nicht«, sagte Rosalie. »In dem Papier war mein Kaugummi drin, den hab ich da vor der Schule eingewickelt. In der Pause wollte ich ihn kauen und dann ging das Papier nicht ab. Da hab ich es halt abgelutscht. Und als Frau Müller kam, hab ich es ganz in den Mund gesteckt, weil man doch in der Schule kein Kaugummi kauen darf!«
    »Und warum hast du zu ihr gesagt, dass du tot sein willst?«
    »Weiß nicht. Fiel mir halt gerade so ein.«
    »Aha. Also geht es dir gar nicht schlecht.«
    »Doch«, sagte sie und schniefte und sah gar nicht mehr frech aus.
    »Warum?«, fragte ich, sprang von der Stange und ging vor ihr in die Hocke, damit ich nicht so riesengroß vor ihr aufragte.
    »Ich brauch jemanden, der dableibt«, sagte sie und sah mir nicht in die Augen. Mit ihrer Blümchensandale kratzte sie ein Muster in den Kies.
    »Versteh ich nicht. Erklär mir das.«
    Rosalie betrachtete angestrengt ihre staubigen Zehen. Auf ihrem Schielpflaster prangte heute eine Sonnenblume. »Alle gehen weg«, sagte sie leise.
    »Wer?«, hakte ich nach.
    »Flocke. Und Mama.«
    »Niemand geht weg«, versprach ich ihr. Ich hielt das für eine typische Kinderangst.
    »Flocke will nach Australien. Das ist auf der anderen Seite der Welt. Und Mama will zu einer Arbeit weggehen. An die Nordsee. Das ist auch furchtbar weit weg.«
    »Rosalie, das stimmt doch gar nicht. Wie kommst du denn darauf? Davon weiß ich nichts, ich schwöre es dir, und ich würde es dir wirklich sagen, wenn das wahr wäre.«
    »Du weißt das nicht, aber es stimmt trotzdem. Du solltest öfter mal Sesamstraße gucken, da hört man so was«, sagte sie. Und dann sah sie mir in die Augen. »Lilia, echt, das stimmt. Dann sind wir allein, du und Papa und ich. Und dann brauchen wir einen Hund.«
    Ich glaubte ihr kein Wort, aber ich würde das klären.
    »Ich rede heute Abend mit Paps«, sagte ich. »Und ich wette, dass es nicht stimmt.«
    »Um was?«
    Oh, oh, oh, Vorsicht! Nicht schon wieder eine Wette! »Um gar nix.«
    »Doch. Wenn’s stimmt, sagst du das mit dem Hund zu Papa.«
    »Rosinchen, ich sag es ihm, versprochen.« Aber wenn das wirklich stimmte, bekam sie garantiert keinen Hund. Ohne Mama und Flo, wie sollte Paps das schaffen? Er versteht so viel von Hunden wie von Kindern. Oder noch weniger, falls das geht.
    Ich ging mit Rosalie ins Freibad und da sitzt sie nun im Sandkasten, in ihrem blauweiß geringelten Badeanzug, mit ihrem gelben Kopftuch und ihrer Schielbrille. Eigentlich könnte sie doch eine Sonnenbrille bekommen, dann würde sie wenigstens im Freibad so aussehen wie alle anderen Kinder. Ich muss mit Mama darüber sprechen.

    Sie buddelt da drüben ganz allein vor sich hin, die arme kleine Maus. Vielleicht braucht sie wirklich einen Hund. Aber das mit Mama und Flocke ist Quatsch. Nie und nimmer ist da was dran. Das wüsste ich. Oder???
    18.00 Uhr Fühle mich irgendwie flau und mau und grau. Was ist los?
    18.05 Uhr Es ist psychisch. Irgendwie bin ich traurig, aber ich kann nicht so richtig orten, woran das liegt. Ich will jetzt nach Hause. Ich rufe Paps

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