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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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sollte ich Trick lieber nicht mehr treffen. So schwer konnte das doch nicht sein. Ich kannte ihn ja erst seit ein paar Wochen. Ich würde mich wieder mit Matty vertragen, und alles würde wieder so sein wie früher. Die Wohnwagenleute würden gewaltsam vertrieben werden und ich würde Trick niemals wiedersehen. Ich würde ihn aus meinem Gedächtnis streichen. Ich würde Dad beweisen, dass ich weiß, was Zusammenhalt bedeutet, und dass er mir vertrauen kann.
    Aber weshalb? Wo ich doch nichts Unrechtes getan hatte.
    Und wie sollte ich mich wieder mit Matty aussöhnen? Sie schaffte es, dass ich mir dumm vorkam, wenn ich mich so gab, wie ich wirklich war.
    Dad war sich in allem so sicher, aber manchmal hatte er keinen blassen Schimmer. Ich trat gegen den trockenen Boden. Ein leuchtend roter Feuerkäfer kroch auf einem Stück verfaulender Rinde entlang. Egal wie er es auch anstellte, er war nicht zu übersehen.
    Ich hob die Augen und starrte stur geradeaus. Ich würde heute nichts bestimmen, nicht einmal einen Käfer.
    Dad mochte mich nur dann, wenn ich tat, was er wollte. Wenn ich neben ihm herging und die Namen der Pflanzen aufsagte, die er mir beigebracht hatte, dann war alles in bester Ordnung, aber wenn ich etwas machte, was mir richtig erschien, dann hatte er keine Zeit mehr für mich. Seit Monaten schon hatte er mir keine Frage mehr gestellt. Er hatte mir nicht einmal zugehört, als ich ihm von der Azurjungfer erzählt hatte.
    Der Hügel war steil und ich fing an zu rennen, ich stolperte über die ausgefransten Grasbüschel und spürte, wie meine Schenkel zu stechen begannen. Ich atmete die frische Luft in vollen Zügen ein und aus. Ich war gerade dabei, eine Erfahrung zu machen, die mir nicht gefiel – die bittere Wahrheit erkennen, wie Mum sagen würde.
    »Manche Menschen passen nicht in die Form, die für sie gegossen ist, Iris«, hatte sie zu mir gesagt, bevor sie ging. »Sie werden darin verbogen. Es ist schwer für sie, diese Form zu verlassen, aber es ist noch schwerer für sie zu bleiben. Sie müssen sich einen anderen Weg suchen, wie sie leben wollen. Verstehst du das?«
    Ich hatte Nein geantwortet, ich verstand es nicht; ich konnte es nicht leiden, wenn sie so war, wenn sie blöde Umschreibungen verwendete und von anderen Leuten sprach, wo sie doch offensichtlich nur sich selbst meinte. Ich wollte es ihr schwer machen, und wer weiß, vielleicht habe ich es damals wirklich nicht verstanden.
    Vom Gipfel des Hügels aus betrachtete ich die Wolken, die sich im Osten zusammenballten. Wind kam auf und zauste meine Haare. Die Äste der Eberesche über mir krachten ineinander und der Wind blies mir in die Ohren und heulte mich an. Ich dachte an Dad, der die Ulmen absägte, Ast für Ast, und der sich in allem so sicher war. Aber was diese Sache anging, irrte er sich, das wusste ich tief in meinem Herzen.
    Ich gab mir das stille Versprechen, dass ich Trick wiedersehen würde, so bald wie möglich.

Sechzehn
    S ooft es ging, schlich ich in Dads Zimmer und beobachtete Tricks Familie. Jetzt, wo wir befreundet waren, interessierte mich alles Mögliche. Ich wollte hören, wie sie miteinander sprachen und worüber sie lachten. Ich wollte wissen, was sie über uns sagten, über uns, die Ortsansässigen, die sie loswerden wollten.
    Tricks Mum sagte immer Sachen, bei denen er sich wegdrehen und lachen musste, und ich stellte mir vor, dass sie es auch bei mir so machen würde und Sachen sagte wie »Sieh dich nur an, Mädchen, was für hübsche Locken und was für eine Figur«, oder dass mein Busen endlich größer wurde und dass ich mir bald einen ihrer BHs ausleihen müsste.
    So eine Mutter war sie, das wusste ich genau. Wie meine. Sie wollte, dass alle Menschen lachen.
    Und dann, eines Morgens, als ich in der Küche saß und gerade meinen Käsetoast aß, ging sie am Fenster vorbei. Sie hatte Ileen in eine Decke gewickelt und trug die Kleine in ihren Armen.
    Dad saß auf dem Klo im Hof, gleich neben dem Hintereingang. Er benutzte es immer noch ab und zu, obwohl schon seit Jahrzehnten ein WC im Haus war.
    Sie klopfte dreimal und ich erschrak. Was, wenn sie gekommen war, um mir zu sagen, dass ich Trick in Ruhe lassen sollte? Dad war in unserer Nähe, gleich hinter der abgeblätterten grünen Klotür im Hof. Er würde sofort denken, dass ich mich davonschleichen wollte, noch ehe sich tatsächlich die Gelegenheit dazu geboten hatte. Dann würde ich niemals mehr alleine weggehen dürfen.
    Sie klopfte fester und ich machte die

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