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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Atem. Ich fragte, ob ein gewisser Patrick Delaney sich um Hilfe an sie gewandt hätte. Der Mann hinter dem Schalter wollte wissen, ob ich mit ihm verwandt sei, und ich nickte. Ich sei seine Schwester. Er sah mich an, während er etwas in seinen Computer tippte und den Bildschirm überflog.
    »Wir haben keine Delaneys«, sagte er.
    Ich buchstabierte ihm für alle Fälle den Namen, doch er schüttelte den Kopf. »Nein. Tut mir leid.«
    »Er hat blonde Haare, leicht rötlich? Ein bisschen älter als ich. Sein Bauch war voller Schrammen und Schnitte. Und er hat Blut gespuckt.«
    Die Miene des Mannes änderte sich. »Hat man einen Krankenwagen gerufen?«
    Mein Magen krampfte sich zusammen. Das war mir gar nicht in den Sinn gekommen.
    Der Mann hinter dem Schalter sah mich argwöhnisch an.
    »Wo sind deine Eltern?«, fragte er und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. »Wie alt bist du?«
    Ich dachte an Mum und Dad, die auf ihre Getränke warteten, und an Sam, der in seinem vergitterten Einzelbett lag, und mir fiel nichts ein, was ich sonst hätte tun können. Ich rannte weg.

Dreiunddreißig
    A uf dem Rückweg traf ich auf Benjy, der durch das Fenster in das Zimmer schaute, in dem Sam lag. Er rieb sich mit dem Handballen über die Augen und wischte ihn dann an seinem schwarzen T-Shirt ab.
    »Er sieht nicht gerade putzmunter aus, was?«
    »Ich gehe nach draußen, wenn ich die hier abgeliefert habe«, sagte ich und hob die Pappbecher hoch. Benjy nickte, und als ich wieder aus dem Warteraum kam, begleitete er mich.
    Wir verfolgten die farbigen Linien auf dem Boden, die in die verschiedenen Bereiche des Krankenhauses führten. Die Intensivabteilung war mit einem beruhigenden Blau markiert, die Entbindungsstation war schwarz. Wenn sich die Linien kreuzten, machte Benjy einen großen Schritt darüber hinweg.
    Ich wollte nicht wieder in den Warteraum zurückgehen. Mum versuchte krampfhaft, gute Laune zu verbreiten, und beschäftigte sich zu viel mit mir. Mir wäre es am liebsten gewesen, wenn sie einfach still gewesen wäre und zugegeben hätte, dass sie auch nichts tun konnte. Ich wollte, dass sie mich in Ruhe ließ.
    Benjy hielt mir die schwere Tür auf und wir traten in einen neuen, strahlenden Sommertag hinaus. Im Krankenhausgarten wimmelte es von Rauchern in Pyjamas und Bademänteln, einige standen in Gruppen beieinander und lachten, andere waren allein. Einer hielt sich an seinem Infusionsständer fest.
    »Krebsstation«, flüsterte Benjy. Als ich ihn ansah, legte er den Kopf schief und lächelte sein schüchternes Lächeln, und mir wurde klar, wie sehr er mir gefehlt hatte.
    Wir liefen im Kreis, immer im Uhrzeigersinn. Aus der Cafeteria kam der Geruch nach Bohnen und nach Zigarettenqualm, dazu die Abgase von der Hauptstraße, die man von hier aus nicht sah, weil sie hinter den Bäumen lag. Das Gras war verbrannt und die Erde war rissig. Blumen welkten in den Beeten, manche ließen die Köpfe so tief hängen, dass sie den Boden küssten.
    Benjy machte an einer freien Bank halt und ich setzte mich neben ihn. Er streckte seine Füße, die in Turnschuhen steckten, weit von sich und stieß einen langen, tiefen Seufzer aus.
    »Rennboot«, sagte er. Ich blickte zum Himmel, in dem ein Flugzeug ohne Kondensstreifen durch das Blau glitt, und ich dachte an die Sommertage zurück, an denen Sam, Benjy, Matty und ich auf der Koppel gelegen waren.
    Ich pflückte ein Gänseblümchen und zupfte es ab: Er lebt, er lebt nicht.
    »Hat er dir erzählt, wie wir uns gestritten haben?«, fragte Benjy. Ich schüttelte den Kopf. Er lachte schnaubend.
    »Er trieb schon seit Längerem ziemlichen Unsinn. Kletterte aus dem Fenster, wenn der Lehrer nicht hinsah, klaute Essen in der Cafeteria – und ich rede nicht davon, dass er Kartoffel-Smileys von der Kasse stibitzt hat, ich meine, er hat mehr Schokolade mitgehen lassen, als in seine Hosentaschen passten. Das gefiel ihm. Er hatte schon richtig Übung darin, er konnte so gut wie alles mitgehen lassen.
    Ich hielt es für ziemlich blöd, aber ich dachte nicht weiter darüber nach. Schokolade abräumen, na und? Aber eines Tages waren wir auf dem Weg vom Klassenzimmer in den Religionsunterricht, und da hab ich ihm gesagt, dass ich mit eurer Mutter gesprochen habe. Wir waren nur zu zweit, niemand konnte uns hören oder so, und ich habe ihn lediglich gefragt, ob er sie für alle Zeiten ignorieren will, ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich ihn das gefragt habe, vielleicht, weil er mein Freund

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