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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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ist, jedenfalls ist er total ausgerastet.
    Was mich das eigentlich anginge, wollte er von mir wissen, und wie ich überhaupt dazu käme, mit ihr zu sprechen. Als würde sie ab sofort nicht mehr meine Taufpatin sein. Und dann ging er auf mich los. Ich konnte es nicht fassen! Ich rannte ihn mehr oder weniger über den Haufen. Ich wünschte, ich hätte es nicht getan – aber inzwischen sahen uns schon alle Mädchen zu. Ich wollte nicht mit ihm kämpfen. Es war dumm von mir. Ich weiß gar nicht, wie man richtig kämpft.«
    Bennjy schniefte und rutschte auf seinem Sitz hin und her.
    »Dann kam Hawkins und trennte uns. Es war total peinlich. Ich erklärte Sam, dass ich nicht mehr mit ihm reden würde und dass wir keine Freunde mehr sind, mir war so zum Kotzen, aber ihm war es egal. Die Mädchen waren beeindruckt, und auf dem Weg zum Direktorat hat er so richtig angegeben und sich wie ein echter Arsch aufgeführt … Seitdem habe ich nicht mehr mit ihm gesprochen. Von da an war er immer mit diesem Punky Beresford zusammen.«

Vierunddreißig
    W ieder stand eine Nacht im Wartezimmer bevor. Doch dann kam unsere Lieblingskrankenschwester Mary, die mit den langen, dunklen Haaren, und sagte, sie müssten sofort eine Hirnkammerdrainage bei Sam vornehmen. Wir dürften reingehen und ihn sehen, bevor man ihn in den Operationsraum brächte.
    »Er hat fast kein Lorazepam mehr im Blut, deshalb ist er vielleicht aktiver als sonst«, sagte Mary, und ich dachte im Stillen, dass aktiv vielleicht nicht gerade der passende Begriff war.
    Mum nahm mich bei der Hand wie ein kleines Mädchen und fragte mich, ob ich ihn auch wirklich sehen wollte. Ich erwiderte, dass ich ihn selbstverständlich sehen wollte, dass ich ihn schon gesehen hätte, und zwar öfter als sie.
    Sie war verletzt, aber ich war wütend auf sie, weil sie versuchte, den Ton anzugeben, aber noch mehr war ich von mir selbst enttäuscht, weil ich ihn eigentlich kein bisschen sehen wollte.

Fünfunddreißig
    I n Sams Zimmer war es eiskalt und der Junge im Krankenbett sah meinem Bruder nicht sehr ähnlich. An den Stellen, an denen er nicht verletzt oder verbunden war, war die Haut fahlgelb. Das Beatmungsgerät saugte und zischte, die Infusion tropfte und Sam warf seinen Kopf auf dem Kissen hin und her. Seine Augen zuckten. Mum nahm seine Hand, Dad ging auf die andere Seite und nahm die andere. Ich stellte mich neben Dad und legte meine Finger auf Sams Handgelenk.
    Mum sprach zu ihm. Er drehte den Kopf auf ihre Seite, dann drehte er ihn wieder weg. Er rollte mit den Augen, sodass sie fast in seinem Kopf verschwanden und man nur die Unterseite seiner Augenlider sah, und dabei stöhnte er entsetzlich, es war ein unmenschlicher, aus der Tiefe kommender Laut wie bei einem Zombie. Meine Finger zuckten, wollten weg von ihm, doch dann umfassten sie rasch sein Handgelenk, so als würden sie sich schämen.
    Mum und Dad warfen sich einen erschrockenen Blick zu. Ich wünschte mir, die beiden würden mich in den Arm nehmen.
    Mary kam herein. »Machen Sie ruhig weiter«, ermunterte sie Mum. »Vielleicht kann er Sie ja hören.«
    Mum fing wieder an zu reden. Sie erzählte ihm, dass wir alle bei ihm seien, dass wir darauf warteten, seine liebe Stimme zu hören, dass er sich keine Sorgen machen müsse, weil er wieder gesund werden würde, dass es keine Eile hätte, denn wir würden nirgendwohin gehen – keiner von uns –, dass wir ihn liebten und dass wir so lange warten würden wie nötig. Das Stöhnen hörte auf, und ich war so lange erleichtert, bis er die Augen wieder schloss.
    Mary trat näher und überprüfte einige Dinge. Sie sagte, wir würden das großartig machen, dass es gut wäre, wenn wir mit ihm sprächen, dass es vielleicht nur eine Frage der Zeit wäre, bis er aufwachte. Sie sagte uns, dass Patienten, die aus dem Koma erwachten, manchmal so aufgeregt und verwirrt wären, dass sie anfangs versuchten, aus dem Bett zu springen oder sich die Infusionsnadeln aus dem Arm zu reißen.
    »Das ist alles sehr gut«, sagte sie. »Je mehr Angst sie haben, desto besser. Das Gehirn arbeitet dann mit Volldampf.«
    Sie lächelte uns nacheinander aufmunternd an, und ich fühlte mich wieder stark und kräftig, wie wenn mich jemand in der Halbzeitpause angefeuert hätte.
    »Komm schon, Sam«, sagte ich und beugte mich über sein Bett. »Du schaffst es.«
    Ich nahm seine Hand, es störte mich nicht einmal, dass Dad sie nicht losließ. Sam war mein Bruder, und egal was mein Vater von mir dachte, ich

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