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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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schrie sie. «Aber Sie sind auch ein netter Junge. Nur sind Sie zu laut. Sie haben keine Manieren.» Sie wandte sich zu mir. «Kann ich ihm trauen, daß er sich benimmt? Ich muß mich heute nacht betrinken, aber ich will nicht, daß er mich blamiert. Vielleicht komm ich nachher hierher zurück. Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten. Sie scheinen intelligenter.»
    Als sie gingen, schüttelte mir die Fürstin herzlich die Hand und versprach, an einem der nächsten Abende zum Essen zu kommen, «wenn ich nüchtern bin», fügte sie hinzu.
    «Schön!» sagte ich. «Bringen Sie eine andere Fürstin mit, oder wenigstens eine Gräfin. Wir wechseln jeden Samstag die Bettwäsche.»
    Gegen drei Uhr morgens kommt Fillmore hereingestolpert – allein. Geladen wie ein Ozeandampfer, vollführt er mit seinem Stock einen Lärm wie ein Blinder. Tap, tap, tap, tap kommt er den Gang entlang. «Ich gehe sofort ins Bett», sagt er, als er an mir vorbeigeht. «Erzähle dir morgen alles.» Er geht in sein Zimmer und schlägt die Bettdecke zurück. Ich höre ihn stöhnen: «Was für eine Frau! Was für eine Frau!» In einer Sekunde ist er wieder draußen, den Hut auf dem Kopf und den närrischen Stock in der Hand. «Ich wußte ja, daß so was passieren würde. Eine Verrückte.»
    Er rumort eine Weile in der Küche herum und kommt dann mit einer Flasche Anjou ins Atelier zurück. Ich muß mich aufsetzen und ein Glas mit ihm trinken.
    Soweit ich mir die Geschichte zusammenreimen kann, fing die ganze Sache am Rond-Point des Champs-Élysées an, wo er auf seinem Heimweg auf ein Glas eingekehrt war. Wie immer zu dieser Stunde, wimmelte die terrasse von Bussarden. Diejenige, welche ganz am Rand saß, hatte einen Stoß Untersätze vor sich. Sie ließ sich still für sich allein vollaufen, als Fillmore vorbeikam und ihren Blick auffing. «Ich bin betrunken», kicherte sie, «wollen Sie nicht Platz nehmen?»
    Und dann, als wäre es das Natürlichste von der Welt, begann sie sofort die Geschichte von ihrem Filmregisseur zu erzählen, wie er ihr den Laufpaß gegeben und sie sich in die Seine gestürzt habe und so weiter und so fort. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, von welcher Brücke, nur daß eine Volksmenge umherstand, als man sie aus dem Wasser fischte. Außerdem sehe sie nicht ein, was es ausmachte, von welcher Brücke sie sich herabstürzte – warum stellte er solche Fragen? Sie lachte hysterisch darüber, und dann hatte sie plötzlich den Wunsch, wegzugehen – sie wollte tanzen. Als sie ihn zögern sieht, öffnet sie impulsiv ihre Handtasche und zieht einen Hundertfrancsschein heraus. Im nächsten Augenblick jedoch sah sie ein, daß ein Hundertfrancsschein nicht sehr weit reichen dürfte. «Haben Sie überhaupt kein Geld?» fragte sie. Nein, er habe nicht sehr viel in der Tasche, aber er habe daheim ein Scheckbuch. Also liefen sie rasch das Scheckbuch holen, und ich war natürlich gerade in dem Augenblick hereingekommen, als er ihr die ‹Ohne-Geld-kein-Hemd›-Geschichte erklärte.
    Auf dem Heimweg waren sie im Poisson d’Or zu einem kleinen Imbiß eingekehrt, den sie mit ein paar Wodkas hinuntergespült hatte. Sie war dort in ihrem Element, jedermann küßte ihr die Hand und murmelte Princesse, Princesse . Betrunken wie sie war, brachte sie es doch fertig, ihre Würde zu bewahren. «Wackeln Sie nicht so mit Ihrem Hinterteil», sagte sie dauernd beim Tanzen.
    Fillmore hatte vorgehabt, als er sie ins Atelier brachte, dort zu bleiben. Aber da sie ein so kluges Mädchen und so sprunghaft war, hatte er beschlossen, sich ihren Launen zu fügen und die große Sache auf später zu verschieben. Er hatte sich sogar die Aussicht vergegenwärtigt, noch einer Fürstin zu begegnen und beide zurückzubringen. Als sie daher für den Abend aufbrachen, war er guter Laune und bereit, wenn nötig, ein paar hundert Francs für sie springen zu lassen. Schließlich läuft einem nicht jeden Tag eine Fürstin über den Weg.
    Diesmal schleppte sie ihn in ein anderes Lokal, wo sie noch besser bekannt war und, wie sie sagte, keine Schwierigkeiten bestanden, einen Scheck in Zahlung zu geben. Jedermann war in Abendtoilette, und wieder gab es viel rückgratverrenkende Verbeugungen und diesen Unsinn mit den Handküssen, als der Kellner sie an einen Tisch geleitete.
    Mitten in einem Tanz verließ sie plötzlich mit Tränen in den Augen die Tanzfläche. «Was ist los?» sagte er. «Was hab ich jetzt getan?» Und instinktiv griff er mit der Hand an seinen Hintern,

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