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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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«Du hast keine Manieren. Wenn du mich besser kennst, wirst du anders reden … Warum versuchst du nicht nett zu sein? Wenn du nicht heute nacht mit mir Zusammensein willst, schön. Ich bin morgen zwischen fünf und sieben am Rond-Point. Du gefällst mir.»
    «Ich habe nicht vor, morgen oder irgend einen Abend am Rond-Point zu sein. Ich will dich nicht mehr sehen … nie mehr. Ich bin fertig mit dir. Ich gehe los und suche mir eine nette kleine Französin. Du kannst dich zum Teufel scheren!»
    Sie sah ihn an und lächelte müde. «Das sagst du jetzt. Aber warte ab, bis du mit mir geschlafen hast. Du weißt noch nicht, was für einen schönen Körper ich habe. Du glaubst, die Französinnen verstünden etwas von der Liebe … Warte ab! Ich mache dich verrückt nach mir. Ich mag dich. Du bist nur ungeschliffen. Du bist nur ein Junge. Du sprichst zuviel …»
    «Du bist verrückt», sagte Fillmore. «Ich würde nicht auf dich hereinfallen, und wenn du die letzte Frau der Welt wärest. Geh nach Hause und wasch dir das Gesicht.» Er ging weg, ohne für die Getränke zu bezahlen.
    Ein paar Tage später jedoch war die Fürstin installiert. Sie ist eine echte Fürstin, dessen sind wir sicher. Aber sie hat den Tripper. Jedenfalls ist das Leben hier alles andere als langweilig. Fillmore hat Bronchitis, die Fürstin, wie gesagt, den Tripper und ich habe Hämorrhoiden. Habe gerade sechs leere Flaschen in der russischen é picerie über der Straße umgetauscht. Kein Tropfen kam über meine Lippen. Kein Fleisch, kein Wein, kein üppiges Wildbret, keine Weiber. Nur Obst und Paraffinöl, Arnikatropfen und Adrenalinsalbe. Und kein einigermaßen bequemer Stuhl in der ganzen Bude. Gerade jetzt, während ich die Fürstin betrachte, liege ich hingebettet wie ein Pascha. Pascha! Dabei fällt mir ihr Name ein: Mascha. Klingt mir nicht so verdammt aristokratisch. Erinnert mich an den Lebenden Leichnam .
    Zuerst dachte ich, es würde peinlich werden, un ménage à trois , aber durchaus nicht. Als ich sie einziehen sah, dachte ich, daß es jetzt wieder mit mir zu Ende sei und ich mir eine andere Unterkunft würde suchen müssen, aber Fillmore gab mir bald zu verstehen, daß er sie nur so lange aufnahm, bis sie wieder auf den Beinen stand. Bei einer Frau wie ihr weiß ich nicht, was dieser Ausdruck bedeutet; soweit ich sehen kann, stand sie ihr ganzes Leben auf dem Kopf. Sie sagt, die Revolution habe sie aus Rußland vertrieben, aber ich bin sicher, wenn es nicht die Revolution gewesen wäre, dann wäre es etwas anderes gewesen. Sie hält sich für eine große Schauspielerin. Wir widersprechen ihr nie, wenn sie etwas sagt, denn es wäre Zeitvergeudung. Fillmore findet sie unterhaltend. Wenn er am Morgen ins Büro geht, legt er zehn Francs auf ihr Kopfkissen und zehn auf meins. Am Abend gehen wir drei in das russische Restaurant unten. Die Nachbarschaft wimmelt von Russen, und Mascha hat bereits ein kleines Lokal gefunden, wo sie ein wenig anschreiben lassen kann. Natürlich sind zehn Francs am Tag nichts für eine Fürstin. Sie möchte dann und wann Kaviar und Champagner haben, und sie braucht eine vollständig neue Garderobe, um wieder eine Anstellung beim Film zu bekommen. Sie hat jetzt nichts anderes zu tun, als die Zeit totzuschlagen. Sie setzt Fett an.
    Heute morgen erschrak ich doch ein bißchen. Nachdem ich das Gesicht gewaschen hatte, erwischte ich irrtümlicherweise ihr Handtuch. Wir scheinen ihr nicht beibringen zu können, ihr Handtuch an den richtigen Haken zu hängen. Und als ich sie deswegen ausschimpfte, antwortete sie sanft: «Mein Lieber, wenn man davon blind werden kann, wäre ich schon seit Jahren blind.»
    Und dann ist da die Toilette, die wir alle benützen müssen. Ich versuche, ihr väterlich wegen des Toilettensitzes zuzureden. « Oh, zut! » macht sie. «Wenn du solche Angst hast, gehe ich in ein Café.» Aber das ist nicht nötig, erkläre ich. Sie solle nur gewöhnliche Vorsichtsmaßnahmen treffen. « Zut, zut! » sagt sie. «Dann setze ich mich eben nicht … sondern mach’s im Stehen.»
    Alles ist verdreht bei ihr. Zuerst wollte sie nicht nachgeben, weil sie die Regel hatte. Das dauerte acht Tage. Wir glaubten schon, sie mache uns was vor. Aber nein, sie tat nicht nur so. Eines Tages, als ich Ordnung zu schaffen versuchte, fand ich einen Wattebausch unter dem Bett, und er war mit Blut durchtränkt. Bei ihr wandert alles unters Bett: Orangenschalen, Binden, Korke, leere Flaschen, Scheren, benützte Präservative,

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