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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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ob er vielleicht noch wackelte. «Es ist nichts», sagte sie. «Sie haben nichts getan. Kommen Sie, Sie sind ein netter Junge.» Und damit zieht sie ihn wieder auf die Tanzfläche und beginnt mit Hingabe zu tanzen. «Aber was ist mit Ihnen los?» murmelte er. «Nichts», wiederholte sie. «Ich sah jemanden, das ist alles.» Und dann, in einem plötzlichen Zornesausbruch: «Warum machen Sie mich betrunken? Wissen Sie nicht, daß es mich verrückt macht? Haben Sie einen Scheck dabei?» sagte sie. «Wir müssen hier weg.» Sie rief den Kellner und flüsterte mit ihm auf russisch. «Ist der Scheck gut?» fragte sie, als der Kellner verschwunden war. Und dann impulsiv: «Warten Sie drunten in der Garderobe auf mich. Ich muß jemanden anrufen.»
    Nachdem der Kellner das Wechselgeld gebracht hatte, schlenderte Fillmore gemächlich in die Garderobe hinunter, um auf sie zu warten. Er ging summend und leise pfeifend auf und ab, wobei er im Vorgeschmack des kommenden Kaviars mit den Lippen schmatzte. Fünf Minuten vergingen, zehn Minuten. Noch immer leises Pfeifen. Als zwanzig Minuten verstrichen waren und noch immer keine Fürstin da war, schöpfte er endlich Verdacht. Die Garderobenfrau sagte ihm, sie sei längst fortgegangen. Er rannte hinaus. Ein Neger in Livree stand dort, ein breites Grinsen im Gesicht. Wußte der Neger, wohin sie gegangen war? Der Neger grinst. Der Neger sagt: «Ich gehört Coupole , das sein alles, der Herr!»
    Im Coupole findet er sie unten mit einem verträumten, gleichsam entrückten Gesichtsausdruck vor einem Cocktail sitzen. Sie lächelt, als sie ihn sieht. «War das anständig», sagt er, «so wegzurennen? Sie hätten mir sagen können, daß Sie mich nicht mögen.» Darüber brauste sie auf, wurde theatralisch. Und nach viel überschwenglichem Getue fing sie zu jammern und zu schluchzen an. «Ich bin verrückt», schluchzte sie. «Und Sie sind auch verrückt. Sie wollen, daß ich mit Ihnen schlafe, und ich will nicht mit Ihnen schlafen.» Und dann begann sie von ihrem Liebhaber zu schwärmen, dem Filmregisseur, den sie beim Tanzen gesehen hatte. Deswegen habe sie weglaufen müssen. Deswegen nehme sie Rauschgifte und betrinke sich jeden Abend. Darum habe sie sich in die Seine gestürzt. Sie plapperte so weiter, wie verrückt sie sei, und dann plötzlich kam ihr ein Einfall: «Gehen wir zu Bricktop!» Dort sei ein Bekannter von ihr, der ihr einmal eine Anstellung versprochen hatte. Sie sei sicher, daß er ihr helfen würde.
    «Was wird es kosten?» fragte Fillmore vorsichtig.
    Es werde eine Menge kosten, das sage sie ihm gleich. «Aber hören Sie zu, wenn Sie mich zu Bricktop führen, verspreche ich, mit Ihnen nach Hause zu gehen.» Sie war ehrlich genug, hinzuzufügen, daß es ihn fünf- oder sechshundert Francs kosten könne. «Aber ich bin es wert! Sie wissen nicht, was für eine Frau ich bin. Es gibt in ganz Paris keine Frau wie mich.»
    «Das glauben Sie!» Sein Yankeeblut erwachte. «Aber ich sehe nicht, daß Sie irgend etwas wert sind. Sie sind nur ein armes, verrücktes Stück Mist. Offen gesagt, lieber gebe ich einer armen Französin fünfzig Francs; von denen kriegt man wenigstens was dafür.»
    Sie fuhr hoch, als er die Französinnen erwähnte. «Sprechen Sie mir nicht von diesen Weibern! Ich hasse sie. Sie sind dumm … häßlich … käuflich. Schluß damit, sage ich Ihnen.»
    Im nächsten Augenblick hatte sie sich wieder beruhigt. Sie schlug eine neue Tonart an. «Liebling», murmelte sie, «du weißt nicht, wie ich aussehe, wenn ich ausgezogen bin. Ich bin schön !» Und sie hielt mit beiden Händen ihre Brüste.
    Aber Fillmore blieb unbeeindruckt. «Du bist eine Schnalle», sagte er kalt. «Es läge mir nichts dran, ein paar hundert Francs für dich auszugeben, aber du bist verrückt. Du hast dir nicht einmal das Gesicht gewaschen. Du stinkst aus dem Mund. Ich gebe keinen Fatz dafür, ob du eine Fürstin bist oder nicht. Ich will keine von eurer hochnäsigen russischen Sorte. Du gehörst auf die Straße, um anzuschaffen. Du bist nicht besser als die nächstbeste kleine Französin. Du taugst nicht einmal so viel. Ich würde keinen Sou mehr in dich hineinstecken. Du gehörst nach Amerika – das ist das richtige Pflaster für einen blutsaugerischen Vamp wie dich.»
    Sie schien durch diese Ansprache durchaus nicht aus der Fassung gebracht. «Ich glaube, du hast nur ein bißchen Angst vor mir», sagte sie.
    «Angst vor dir? Vor dir ?»
    «Du bist bloß ein kleiner Junge», versetzte sie.

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