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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Mädchen. Ich las nur Villon und Baudelaire. Aber da ich dreihunderttausend Schweizer Franken auf der Bank hatte, war ich versessen darauf, mich zu amüsieren, denn in Rußland war man immer streng mit mir. Und da ich damals sogar noch schöner war als heute, lagen mir alle Männer zu Füßen.» Hier zog sie die schlaffe Haut hoch, die sich um ihre Taille gebildet hatte. «Ihr müßt nicht meinen, daß ich einen solchen Bauch hatte, als ich herkam … das kommt von all dem Gift, das man mir zu trinken gegeben hat … diesen greulichen apéritifs , auf die die Franzosen so versessen sind … Dann lernte ich meinen Filmregisseur kennen, und er wollte, daß ich eine Rolle für ihn spielte. Er sagte, ich sei das prachtvollste Wesen von der Welt und drang in mich, jede Nacht mit ihm zu schlafen. Ich war eine törichte Jungfrau und erlaubte ihm, mich eines Nachts zu verführen. Ich wollte eine große Schauspielerin werden und wußte nicht, daß er ganz voll Gift steckte. So hängte er mir den Tripper an … und jetzt möchte ich ihn ihm wieder zurückgeben. Er ist schuld daran, daß ich in der Seine Selbstmord gemacht habe … Warum lacht ihr? Glaubt ihr nicht, daß ich Selbstmord begangen habe? Ich kann euch die Zeitungen zeigen … in allen ist mein Bild drin. Ich zeige euch eines Tages die russischen Zeitungen … sie schrieben wundervoll über mich … Aber, Liebling, du weißt, daß ich erst ein neues Kleid haben muß. Ich kann diesem Mann nicht den Kopf verdrehen mit diesen schmutzigen Fetzen, die ich anhabe. Nebenbei bemerkt schulde ich meiner Schneiderin noch zwölftausend Francs …»
    Von da an ist es eine lange Geschichte von der Erbschaft, die sie einzustreichen versucht. Sie hat einen jungen Rechtsanwalt an der Hand, einen Franzosen, der scheinbar ziemlich schüchtern ist, und er versucht, das Vermögen zurückzuerobern. Von Zeit zu Zeit gab er ihr hundert Francs à conto. «Er ist geizig, wie alle Franzosen», erklärt sie. «Und ich war so schön, daß er die Augen nicht von mir wegwenden konnte. Er bettelte mich immer an, es mit ihm zu treiben. Ich bekam es so satt und über, ihn anzuhören, daß ich eines Nachts einwilligte, nur damit er den Mund hielt, und weil ich meine gelegentlichen hundert Francs nicht einbüßen wollte.»
    Sie unterbrach sich einen Augenblick, um hysterisch zu lachen. «Mein Lieber», fuhr sie fort, «es war zu komisch für Worte, was ihm passierte. Er ruft mich eines Tages an und sagt: ‹Ich muß Sie sofort sehen … es ist sehr wichtig.› Und als ich ihn treffe, zeigt er mir ein Papier vom Arzt – es ist Gonorrhöe! Mein Lieber, ich lachte ihm ins Gesicht. Wie sollte ich wissen, daß ich noch immer den Tripper hatte. ‹Sie wollten mich beschlafen, und so schlief ich mit Ihnen.› Das brachte ihn zum Schweigen. So geht’s im Leben … man denkt an nichts, und dann ganz plötzlich, paff, paff, paff! Er war ein solcher Narr, daß er sich erneut in mich verliebte. Nur bat er mich, doch brav zu sein und nicht die ganze Nacht in Montparnasse herumzubummeln, zu trinken und zu ficken. Er beteuerte, ich würde ihn verrückt machen. Er wollte mich heiraten, dann aber erfuhr seine Familie von mir und überredete ihn dazu, nach Indochina zu gehen …»
    Von da geht Mascha in aller Ruhe dazu über, von einer Geschichte zu erzählen, die sie mit einer Lesbierin hatte. «Es war riesig komisch, mein Lieber, wie sie mich eines Nachts auflas. Ich war im Fétiche und wie gewöhnlich betrunken. Sie führte mich von einem Lokal ins andere und spielte die ganze Nacht unterm Tisch an mir herum, bis ich es nicht mehr aushielt. Dann brachte sie mich in ihre Wohnung, und für zweihundert Francs ließ ich mich von ihr lecken. Sie bestand darauf, daß ich mit ihr zusammenleben sollte, aber ich wollte mich nicht jede Nacht von ihr lecken lassen … es schwächt einen zu sehr. Außerdem kann ich euch versichern, daß ich mir nicht mehr so viel aus Lesbierinnen mache wie früher. Lieber möchte ich mit einem Mann schlafen, auch wenn’s mir weh tut. Wenn ich schrecklich aufgeregt werde, kann ich mich nicht mehr zurückhalten … drei-, vier-, fünfmal … einfach so, paff, paff, paff! Und dann blute ich, und das ist sehr schädlich für mich, denn ich neige zu Blutarmut. Jetzt seht ihr, warum ich mich dann und wann von einer Lesbierin auslecken lassen muß …»

A ls das kalte Wetter einsetzte, verschwand die Fürstin. Es wurde ungemütlich mit nur dem kleinen Atelierofen; das Schlafzimmer war wie ein

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