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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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kleinen, an die Kirche von St. Germain angrenzenden Garten liegen ein paar abmontierte Wasserspeier. Ungeheuer, die mit erschreckendem Ungestüm vorspringen. Auf den Bänken andere Ungeheuer – alte Leute, Idioten, Krüppel, Epileptiker. Sie machen dort ihr friedliches Nickerchen und warten auf das Läuten zur Mittagsmahlzeit. In der Galerie Zak auf der anderen Straßenseite hat ein Dummkopf ein Bild des Kosmos ausgestellt – ganz flächig. Der Kosmos eines Malers! Voll allerlei Beiwerk, bric-á-brac . In der unteren linken Ecke jedoch ist ein Anker – und eine Tischglocke. Salute! Salute! O Kosmos!
    Bummle noch immer umher. Nachmittag. Därme grollen. Nun beginnt es zu regnen. Notre-Dame ragt wie ein Grabmal aus dem Wasser. Die Wasserspeier lehnen sich weit über die ornamentenreiche Fassade vor. Sie hängen da wie eine fixe Idee im Denken eines Monomanen. Ein alter Mann mit gelbem Backenbart tritt an mich heran. Hat irgend einen Unsinn von Jaworski in der Hand. Kommt mit zurückgeworfenem Kopf auf mich zu, und der ihm ins Gesicht klatschende Regen verwandelt den goldenen Sand in Schlamm. Ein Buchladen mit ein paar Zeichnungen von Raoul Dufy im Schaufenster. Zeichnungen von Scheuerfrauen mit Rosenbüschen zwischen den Beinen. Eine Abhandlung über die Philosophie von Joan Miró … Die Philosophie , wohlgemerkt!
    Im gleichen Schaufenster: Ein in Scheiben geschnittener Mensch! Erstes Kapitel: Der Mensch in den Augen seiner Familie. Zweites Kapitel: Derselbe in den Augen seiner Geliebten. Drittes Kapitel: Es gibt kein drittes Kapitel. Muß morgen wieder herkommen wegen des dritten und vierten Kapitels. Jeden Tag blättert der Fensterputzer eine neue Seite um. Ein in Scheiben geschnittener Mensch . Man kann sich nicht vorstellen, wie wütend ich bin, nicht an einen solchen Titel gedacht zu haben! Wo steckt dieser Kerl, der schreibt: «Derselbe in den Augen seiner Geliebten … derselbe in den Augen von … derselbe …?» Wo steckt dieser Bursche? Wer ist er? Ich möchte ihn umarmen. Ich wünschte bei Gott, ich hätte genug Verstand besessen, mir einen solchen Titel auszudenken – statt Der hanebüchene Hahn und die anderen törichten Sachen, die ich erfunden habe. Na schön, scheiß drauf! Ich gratuliere ihm trotzdem.
    Ich wünsche ihm Glück mit seinem guten Titel. Hier ist noch eine Scheibe für dich – für dein nächstes Buch! Ruf mich einmal an. Ich wohne in der Villa Borghese. Wir sind alle tot, liegen im Sterben oder sind dem Sterben nah. Wir brauchen gute Titel. Wir brauchen Fleisch-Scheiben und Scheiben von Fleisch – saftige Filets, Porterhouse-Steaks, Nieren, Kalbshoden, Kalbsbrieschen. Eines Tages, wenn ich an der Ecke der 42. Straße und des Broadway stehe, werde ich mich an diesen Titel erinnern und alles in mich hineinschlingen, was ich mir in meiner Birne vorstelle – Kaviar, Regentropfen, Achsenfett, Fadennudeln, Leberwurst – Scheiben und Scheiben davon. Und ich werde niemandem sagen, warum ich, nachdem ich alles verschlungen hatte, plötzlich heimging und das Baby in Stücke zerhackte. Un acte gratuit pour vous, eher monsieur, si bien coupé en tranches! Wie ein Mensch den ganzen Tag mit leerem Magen umherlaufen und sogar von Zeit zu Zeit eine Erektion bekommen kann, ist eines der von den ‹Seelenanatomen› zu leichtfertig erklärten Geheimnisse. An einem Sonntagnachmittag, wenn die Läden geschlossen sind und das Proletariat mit einer Art von starrem Stumpfsinn die Straße beherrscht, gibt es gewisse Verkehrsadern, die einen an nichts Geringeres gemahnen als an einen großen, der Länge nach aufgeschnittenen, von Schanker behafteten Pint. Und gerade diese Hauptstraßen, wie zum Beispiel die Rue St. Denis oder das Faubourg du Temple sind es, die einen unwiderstehlich anziehen – ähnlich wie es einen früher in der Umgebung vom Union Square oder dem oberen Teil der Bowery zu den Dreigroschenmuseen hinzog, wo in den Schaukästen Wachsnachbildungen verschiedener, von Syphilis oder anderen Geschlechtskrankheiten zerfressener Körperteile ausgestellt waren. Die Stadt schwärt wie ein in allen Teilen kranker, riesiger Organismus, wobei die schönen Hauptverkehrsadern nur deshalb etwas weniger abstoßend sind, weil ihr Eiter abgeleitet wurde.
    Bei der Cité Nortier, irgendwo in der Nähe der Place du Combat, mache ich einen Augenblick halt, um den ganzen Unflat der Szenerie in mich aufzunehmen. Es ist ein rechteckiger Hof wie viele andere, auf den man einen Blick durch die niederen

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