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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Hure schlecht ist. Claude erweckte in einem immer ein Gefühl der Trauer; ohne es zu wollen, versteht sich, hinterließ sie in einem immer den Eindruck, nur eben einer mehr aus dem Strom derer zu sein, die das Schicksal dazu bestimmt hatte, sie zu zerstören. Unbewußt , wie gesagt, denn Claude war der letzte Mensch in der Welt, der bewußt einen solchen Eindruck bei einem hätte hervorrufen wollen. Dazu war sie zu feinfühlend, zu empfindsam. Im Grunde war Claude nur ein braves französisches Mädchen von durchschnittlicher Herkunft und Intelligenz, dem das Leben irgendwie übel mitgespielt hatte. Etwas in ihr war nicht stark genug, um der Erschütterung des täglichen Lebens standzuhalten. Auf sie trafen jene schrecklichen Worte Louis-Philippes zu: «… und es kommt eine Nacht, wo alles zu Ende ist, wo so viele Kinnbacken sich über uns geschlossen haben, daß wir nicht mehr die Kraft besitzen, standzuhalten, und unser Fleisch uns vom Leibe hängt, als wäre es von jedem Munde zerkaut.» Germaine war andererseits eine Hure von Kindesbeinen an. Sie war durch und durch zufrieden mit ihrer Rolle, genoß sie sogar, außer wenn sie der Magen oder ihr Schuh drückte, aber das waren oberflächliche, nichtige Dinge, nichts, was ihr in die Seele schnitt, nichts, was ihr Qualen verursachte. Ennui! Das war das Schlimmste, was sie je zu empfinden fähig war. Es gab Tage, an denen sie den Kanal voll hatte, wie man so sagt – aber nicht mehr als das! Die meiste Zeit machte es ihr Freude – oder sie erweckte wenigstens den Eindruck, als mache es ihr Freude. Es war natürlich ein Unterschied, mit wem sie ging – oder mitkam . Aber die Hauptsache war ein Mann . Ein Mann! Das war, was sie ersehnte. Ein Mann mit etwas zwischen den Beinen, was ihr Kitzel verursachen, sie sich in Ekstase winden lassen konnte, so daß sie mit beiden Händen an ihr buschiges Gequaddel griff und es fröhlich, prahlerisch, stolz in einem Gefühl der Verbundenheit, einem Lebensgefühl rieb. Das war die einzige Stelle, wo sie Lebendigsein empfand – dort unten, wo sie sich mit beiden Händen umklammerte.
    Germaine war durch und durch eine Hure, sogar bis in ihr gutes Herz hinein, ihr Hurenherz, das nicht eigentlich ein gutes, sondern ein träges Herz ist, ein teilnahmsloses, schlaffes Herz, das sich einen Augenblick rühren läßt, ein Herz ohne feste Bindung, ein großes, schlappes Hurenherz, das sich eine Weile von seinem wahren Mittelpunkt lösen kann. Wie schnöde und begrenzt die Welt auch war, die sie sich aufgebaut hatte, so paßte sie doch prächtig zu ihr. Und das allein schon wirkt stärkend. Wenn ihre Freundinnen, nachdem wir gut bekannt geworden waren, mich aufzogen, indem sie sagten, ich sei in Germaine verliebt (ein ihnen fast unvorstellbarer Gedanke), dann pflegte ich zu sagen: «Freilich! Freilich bin ich in sie verliebt. Und was noch mehr ist, ich bleibe ihr sogar treu!» Natürlich eine Lüge, denn ich dachte nicht mehr daran, Germaine zu lieben, als ich daran dachte, eine Spinne zu lieben. Und wenn ich treu war, so nicht Germaine, sondern dem buschigen Etwas zwischen ihren Beinen. Sooft ich eine andere Frau ansah, dachte ich sofort an Germaine, an diesen flammenden Busch, der sich meinem Denken eingeprägt hatte und der unzerstörbar schien. Es machte mir Vergnügen, auf der terrasse eines kleinen tabac zu sitzen und sie zu beobachten, wie sie mit anderen zu denselben Gebärden, denselben Mittelchen griff, die sie bei mir angewandt hatte. ‹Sie geht ihrer Arbeit nach!› – war das Gefühl, das ich dabei hatte, und ich beobachtete ihre Machenschaften mit Wohlgefallen. Später, als ich mich mit Claude zusammengetan hatte und ich sie Nacht für Nacht auf ihrem gewohnten Platz mit ihren runden Hinterbäckchen auf dem Plüsch des Sofas thronen sah, fühlte ich so etwas wie eine unnennbare Empörung gegen sie. Eine Hure, so schien mir, hatte kein Recht dazusitzen wie eine Dame und schüchtern darauf zu warten, daß jemand sie ansprach, und während der ganzen Zeit maßvoll an ihrer Schokolade zu nippen. Germaine war eine Anschafferin. Sie wartete nicht, bis man zu ihr kam – sie ging los und griff einen auf. Ich erinnere mich so gut an die Löcher in ihren Strümpfen und die zerrissenen, abgetretenen Schuhe. Ich erinnere mich auch, wie sie an der Bar stand, mit blinder, mutiger Verachtung einen scharfen Drink in ihren Magen hinuntergoß und wieder auf die Straße hinausging. Eine Anschafferin! Vielleicht war es nicht so erfreulich,

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