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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Wert von 325 Francs. Außerdem schrieb er ihr einen zwanzig Seiten langen Brief. Der garçon brachte ihm ein Blatt nach dem anderen, servierte ihm Kaffee und Zigarren, fächelte ihn ein wenig, als er schwitzte, kehrte die Brotkrumen vom Tisch, zündete ihm die Zigarre an, als sie ausging, kaufte für ihn Briefmarken, tanzte und pirouettierte um ihn herum, verbeugte sich orientalisch tief und brach sich fast das Kreuz. Das Trinkgeld war saftig. Größer und saftiger als eine Corona-Corona. Moldorf erwähnte es wahrscheinlich in seinem Tagebuch. Es geschah Fanny zuliebe. Das Armband und die Ohrringe waren jeden Sou wert, den er dafür ausgab. Besser, es für Fanny auszugeben, als es für kleine Huren wie Germaine und Odette zu vergeuden. Ja, so sagte er zu Tania. Er zeigte ihr seinen Koffer. Er war vollgestopft mit Geschenken – für Fanny, Moe und Murray.
    «Meine Fanny ist die gescheiteste Frau der Welt. Ich habe gesucht und gesucht, einen Fehler an ihr zu finden – aber sie hat keinen. Sie ist einfach vollkommen. Ich werde dir sagen, was Fanny kann. Sie spielt Bridge wie ein Gauner. Interessiert sich für Zionismus. Oder gib ihr zum Beispiel einen alten Hut und sieh zu, was sie daraus machen kann. Hier eine kleine Falte, dort ein Band, und voilà quelque chose de beau ! Weißt du, was vollkommene Seligkeit ist? Neben Fanny zu sitzen, wenn Moe und Murray zu Bett gegangen sind, und Radio zu hören. Sie sitzt so friedlich da. Ich werde für alle meine Kämpfe und meinen Kummer entschädigt, wenn ich sie nur ansehe. Sie hört klug zu. Wenn ich an euren üblen Montparnasse denke und dann an meine Abende in Bay Ridge mit Fanny, nach einer reichlichen Mahlzeit, ich sage dir, da gibt es keinen Vergleich. Eine so einfache Sache wie Essen, die Kinder, das milde Lampenlicht und Fanny, die ein wenig müde, aber munter, zufrieden, sattgegessen dasitzt. Wir sitzen stundenlang einfach da, ohne ein Wort. Das ist Seligkeit!
    Heute schreibt sie mir einen Brief – nicht einen von den langweiligen, üblichen Berichten von daheim. Sie schreibt mir aus dem Herzen, in einer Sprache, die sogar mein kleiner Murray verstehen könnte. Sie ist um alles besorgt, meine Fanny. Sie sagt, daß die Kinder weiter lernen müssen, aber die Kosten bereiten ihr Sorgen. Es wird tausend Dollar kosten, Klein-Murray auf die Schule zu schicken. Moe bekommt natürlich ein Stipendium. Aber was willst du mit Klein-Murray, diesem kleinen Genie Murray anfangen? Ich schrieb Fanny, sie solle sich keine Sorgen machen. Schicke Murray auf die Schule, sagte ich. Was sind schon tausend Dollar mehr? Ich werde dieses Jahr mehr Geld verdienen als je zuvor. Ich tu es Klein-Murray zuliebe – denn er ist ein Genie, dieses Kind.»
    Ich wäre gerne dort, wenn Fanny den Koffer öffnet. «Schau, Fanny, das hab ich in Budapest von einem alten Juden gekauft … So was trägt man in Bulgarien – es ist reine Wolle … Das gehörte dem Herzog von Sowieso … nein, man zieht es nicht auf, man stellt es in die Sonne. Ich möchte, daß du das trägst, Fanny, wenn wir in die Oper gehen … es mit diesem Kamm trägst, den ich dir gezeigt habe … Und das, Fanny, ist etwas, was Tania für mich ausfindig gemacht hat … sie ist ein wenig dein Typ …»
    Und Fanny sitzt dort auf dem Sofa, ganz wie sie auf dem Öldruck dargestellt war, mit Moe an ihrer einen und Klein-Murray, Murray dem Genie, an ihrer anderen Seite. Ihre dicken Beine sind ein wenig zu kurz, um den Boden zu erreichen. Ihre Augen haben einen stumpfen, permanganatenen Glanz. Brüste wie reife Rotkrautköpfe; sie wackeln ein wenig, wenn sie sich vorbeugt. Aber das Traurige an ihr ist, daß der Strom fehlt. Sie sitzt da wie ein leerer Akkumulator; ihr Gesicht ist aus dem Lot – es braucht ein wenig Belebung, eine plötzliche Zufuhr von Strom, um wieder aufzuleuchten. Moldorf hüpft vor ihr herum wie eine dicke Kröte. Sein Fleisch bibbert. Er rutscht aus, und es fällt ihm schwer, sich wieder auf den Bauch zu drehen. Sie stubst ihn mit ihrem dicken Zeh. Seine Augen treten ein wenig weiter vor. «Gib mir doch noch einen Tritt, Fanny, so war’s gut!» Diesmal versetzt sie ihm einen tüchtigen Stoß, er läßt eine bleibende Delle in seinem Wanst zurück. Sein Gesicht ist dicht am Teppich; seine Fettpolster drücken sich in die Teppichhaare. Es kommt wieder ein wenig Leben in ihn, er wirft sich herum, springt von Möbel zu Möbel. «Fanny, du bist wunderbar!» Er sitzt jetzt auf ihrer Schulter. Er beißt ein Stückchen von

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