Wendekreis des Krebses
andere Dinge, vor allem den Umzug, abzulenken. Das Zimmermädchen kommt herein, um nachzusehen, ob er fertig ist. Er hätte das Zimmer bis Mittag räumen sollen. Er ist gerade dabei, in seine Hose zu schlüpfen. Ich bin ein wenig erstaunt, daß er sich nicht entschuldigt oder abwendet. Als ich ihn dastehen und ungeniert seinen Hosenlatz zuknöpfen sehe, während er ihr Weisungen gibt, fange ich zu kichern an.
«Kümmere dich nicht um sie», sagt er, wobei er ihr einen Blick erhabener Verachtung zuwirft, «sie ist lediglich eine große Sau. Zwick sie in den Hintern, wenn du magst. Sie wird keinen Ton sagen.» Und dann, an sie gewandt, sagt er auf englisch: «Komm her, du Schnalle, leg deine Hand hier drauf!» Nun kann ich mich nicht länger halten. Ich breche in Lachen aus, bekomme einen hysterischen Lachanfall, der auch das Zimmermädchen ansteckt, obwohl sie nicht weiß, worum es sich handelt. Das Zimmermädchen beginnt, die an den Wänden hängenden Bilder und die Fotografien, die meist ihn darstellen, abzunehmen. « Sie », sagt er, mit seinem Daumen deutend, «kommen Sie her! Hier haben Sie etwas zur Erinnerung an mich» – damit reißt er eine Fotografie von der Wand – «wenn ich fort bin, können Sie sich damit den Hintern abwischen. Siehst du», sagt er zu mir gewandt, «sie ist eine sture Pritsche. Sie würde kein gescheiteres Gesicht machen, wenn ich es auf französisch sagte.» Das Mädchen steht mit offenem Munde da; sie ist offenkundig davon überzeugt, daß er verrückt ist. «He!» schreit er sie an, als wäre sie schwerhörig. «He, Sie! Ja, Sie ! So . …» und er nimmt die Fotografie, seine eigene Fotografie und wischt sich damit über den Hintern. « Comme ça! Kapiert? Man muß es ihr aufmalen», sagt er, indem er, gründlich angeekelt, die Unterlippe vorschiebt.
Er beobachtet ihre Hilflosigkeit, als sie seine Sachen in die großen Koffer wirft. «Da, tun Sie auch das hinein», sagt er und gibt ihr die Zahnbürste und den Beutel mit der Spülspritze. Die Hälfte seiner Sachen liegt auf dem Fußboden. Die Koffer sind gestopft voll, und er weiß nicht wohin mit den Bildern, den Büchern und den halbleeren Flaschen. «Setz dich einen Augenblick», sagt er, «wir haben einen Haufen Zeit. Wir müssen uns das überlegen. Wenn du nicht erschienen wärst, wäre ich nie hier weggekommen. Du siehst, wie hilflos ich bin. Laß mich nicht vergessen, die Birnen auszuschrauben, sie gehören mir. Dieser Papierkorb gehört auch mir. Sie erwarten von einem, daß man wie ein Schwein lebt, diese Hunde.» Das Zimmermädchen ist hinuntergegangen, um Schnur zu holen. «Wart ab, und du wirst sehen, daß sie mir die Schnur berechnet, und wenn es auch nur drei Sous sind. Sie würden einem hier keinen Hosenknopf annähen, ohne etwas dafür zu berechnen. Die elenden, dreckigen Pfennigfuchser!» Er greift eine Flasche Calvados vom Kaminsims und winkt mir, die andere zu nehmen. «Es hat keinen Zweck, sie mitzunehmen. Trinken wir sie hier aus. Aber gib ihr keinen Tropfen! Dieses Luder, ich möchte ihr kein Blatt Klosettpapier dalassen. Ich würde gern die Bude zusammenschlagen, bevor ich gehe. Hör mal, schiff auf den Fußboden, wenn du Lust hast. Ich wollte, ich könnte einen Kaktus in die Kommodenschublade pflanzen.»
Er ist so restlos angeekelt von sich selbst und allem anderen, daß er nicht weiß, wie er seinen Gefühlen Luft machen soll. Er geht mit der Flasche in der Hand hinüber zum Bett, schlägt die Decke zurück und besprengt die Matratze mit Calvados. Nicht zufrieden damit, bohrt er seinen Absatz in die Matratze. Leider ist kein Schmutz an seinem Absatz. Schließlich nimmt er das Laken und putzt sich damit die Schuhe. «Da haben sie wenigstens was zu tun», murmelt er rachsüchtig. Dann nimmt er einen tüchtigen Schluck, beugt den Kopf zurück und gurgelt seine Kehle aus, und nachdem er sie tüchtig ausgegurgelt hat, speit er es gegen den Spiegel. «So, ihr billiges Pack! Wischt das weg, wenn ich fort bin!» Er geht auf und ab und brummelt vor sich hin. Als er seine durchlöcherten Socken auf dem Fußboden liegen sieht, hebt er sie auf und zerreißt sie in Fetzen. Auch die Bilder versetzen ihn in Wut. Er nimmt eines hoch – ein Porträt von ihm, das eine Lesbierin gemalt hat, die er kannte – und fährt mit dem Fuß durch die Leinwand. «Diese Schnalle! Weißt du, was sie die Stirn hatte, mich zu bitten? Sie bat mich, ihr meine Pritschen zu überlassen, wenn ich mit ihnen fertig sei. Sie hat mir nie auch nur
Weitere Kostenlose Bücher