Wendekreis des Krebses
hingegangen bist, würde ich nicht glauben, daß es die Frau überhaupt gibt. Ein solcher Kerl wäre imstande, Briefe an sich selbst zu schreiben. Und doch hat er Schwein … er ist so verflucht zierlich, so zerbrechlich, sieht so romantisch aus, daß dann und wann die Frauen auf ihn hereinfallen … sie adoptieren ihn quasi … haben Mitleid mit ihm, vermute ich. Und manche Pritschen empfangen gerne blumige Wortgebinde, sie kommen sich dann wichtig vor. Aber diese Frau sei klug, sagt er. Du müßtest es wissen, du hast ihre Briefe gesehen. Was glaubst du, was eine solche Frau an ihm findet? Ich kann verstehen, daß die Briefe auf sie Einduck machten … aber was, glaubst du, empfand sie, als sie ihn sah ?
Aber hör zu, um all das geht es ja in Wirklichkeit gar nicht. Worauf ich hinauswill, ist die Art, wie er es mir schildert. Du weißt, wie er Dinge ausmalt … schön, nach dieser Szene auf dem Balkon – die er mir wie ein Hors d’œuvre servierte, verstehst du – danach, sagt er, gingen sie hinein, und er knöpfte ihren Schlafanzug auf. Warum lächelst du? Hat er mich damit angeschissen?»
«Nein, nein! Du gibst es mir genau so wieder, wie er es mir erzählt hat. Fahr fort …»
«Danach» – hier muß Van Norden selber lächeln – «danach, wohlgemerkt, erzählt er mir, wie sie auf dem Stuhl saß mit hochgezogenen Beinen … ohne einen Faden am Leib … und er sitzt auf dem Fußboden, blickt zu ihr empor und sagt ihr, wie schön sie aussieht … hat er dir gesagt, daß sie aussah wie ein Bild von Matisse? Wart einen Augenblick, ich möchte mich genau erinnern, was er gesagt hat. Er brachte einen cleveren, kleinen Satz von einer Odaliske … was, zum Teufel, ist eigentlich eine Odaliske? Er sagte es auf französisch, darum ist es so schwierig, sich an das Scheißzeug zu erinnern … aber es klang gut. Es klang genau, wie seine Worte hätten lauten können. Und sie dachte vermutlich, es sei auf seinem Mist gewachsen … Ich vermute, sie hält ihn für einen Dichter oder so was. Aber hör zu, all das ist nichts … mag er seine Phantasie schweifen lassen. Was danach kam, macht mich verrückt. Die ganze Nacht wälzte ich mich herum, beschäftigte ich mich mit den Bildern, die er mir eingeprägt hat. Ich kann es nicht aus dem Kopf kriegen. Es klingt mir so echt, daß ich den Hund erwürgen könnte, wenn es nicht so war. Ein Mensch hat nicht das Recht, derlei Dinge zu erfinden. Oder aber er ist nicht normal …
Worauf ich hinaus will, ist der Augenblick, als er, wie er sagt, sich auf seine Knie niederließ und mit seinen zwei dünnen Fingern ihre Möse aufspreizte. Erinnerst du dich daran? Er sagt, sie habe mit über die Stuhllehne baumelnden Beinen dagesessen, und plötzlich, sagt er, habe es ihn überkommen. Das war, nachdem er es bereits ein paarmal mit ihr getrieben hatte … nachdem er das Spielchen mit dem Matisse gemacht hatte. Er läßt sich auf seine Knie nieder – stell dir vor ! – und mit seinen zwei Fingern … nur den Fingerspitzen, wohlgemerkt … öffnet er die kleinen Blumenblätter … sksch – sksch … ganz einfach so. Ein lebriges kleines Geräusch … fast unhörbar. Sksch – sksch! Lieber Gott, ich hörte es die ganze Nacht hindurch! Und dann sagt er – als wäre das nicht schon genug für mich –, dann erzählt er mir, wie er seinen Kopf in ihrem Muff vergrub. Und als er das tat, helf mir Gott, wenn sie nicht ihre Beine um seinen Nacken legte und ihn so in die Klemme nahm. Das machte mich fertig ! Stell dir das vor! Stell dir eine feine, empfindsame Frau vor, die ihre Beine um seinen Hals legt! Das hat etwas Vergiftetes an sich. Es ist so phantastisch, daß es überzeugend klingt. Wenn er mir nur vom Champagner und der Fahrt ins Bois und sogar die Szene auf dem Balkon erzählt hätte, wäre ich darüber hinweggegangen. Aber dies ist so unglaublich, daß es nicht mehr wie eine Lüge klingt. Ich kann nicht glauben, daß er jemals dergleichen irgendwo gelesen hat und kann nicht sehen, wie ihm der Gedanke in den Sinn gekommen sein könnte, es sei denn etwas Wahres daran. Bei so einem kleinen Pint, weißt du, kann alles passieren. Er hat sie vielleicht überhaupt nicht gefickt, aber sie hat ihn vielleicht an sich herumspielen lassen … bei diesen reichen Pritschen weiß man nie, was sie von einem erwarten …»
Als er sich endlich vom Bett losreißt und sich zu rasieren beginnt, ist der Nachmittag bereits weit vorgeschritten. Es ist mir schließlich gelungen, seine Gedanken auf
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