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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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ein Unglück. Alle möglichen komischen Erinnerungen fielen uns ein – die Semikolons, die er übersah und derentwegen sie ihn anbrüllten, daß er in keinen Stiefel mehr paßte. Sie versauerten ihm das Leben mit ihren beschissenen kleinen Semikolons und der Worttrennung, die er immer falsch machte. Sie wollten ihn sogar einmal entlassen, weil er mit einer Fahne zur Arbeit kam. Sie verachteten ihn, weil er immer so elend aussah und Ekzeme und Schuppen hatte. Er war ganz einfach ein Niemand, was sie betraf, aber jetzt, wo er tot war, steuerten alle lustig bei, kauften ihm einen großen Kranz und setzten seinen Namen in Fettdruck in die Spalte der Todesanzeigen. Alles, um einen kleinen Abglanz auf sich selbst zu werfen. Sie hätten ihn gern zu einem ganz großen Scheißer aufgebläht, wenn sie gekonnt hätten. Aber unglücklicherweise gab es über Peckover wenig zu erfinden. Er war eine Null, und sogar die Tatsache, daß er tot war, fügte seinem Namen keine Ziffer hinzu.
    «Die Sache hat nur eine gute Seite», sagt Joe. «Du kannst seine Stelle kriegen. Und wenn du etwas Glück hast, fällst du vielleicht den Aufzugschacht hinunter und brichst dir auch den Hals. Wir kaufen dir einen schönen Kranz, das verspreche ich dir.»
    Gegen Morgen sitzen wir auf der terrasse vom Dôme . Wir haben den armen Peckover längst vergessen. Wir fanden ein wenig Unterhaltung auf dem Bal Nègre, und Joes Gedanken sind zu seiner ewigen Besessenheit zurückgekehrt: Pritsche. Um diese Stunde, wenn sein freier Abend fast zu Ende geht, steigert sich seine Unruhe zum Fieber. Er denkt an die Weiber, die er früher am Abend hat laufen lassen, und an die Unentwegten, die er auf ein Wort hin hätte haben können, wenn er sie nicht satt gehabt hätte. Unvermeidlich fällt ihm seine Georgia-Pritsche ein, sie hat ihn in letzter Zeit verfolgt und gebeten, sie wenigstens so lange bei sich aufzunehmen, bis sie Arbeit fände. «Es macht mir nichts aus, sie dann und wann einmal abzufüttern», meint er, «aber ich könnte sie nicht dauernd bei mir aufnehmen … das würde für meine anderen Pritschen alles verderben.» Am meisten schmerzt ihn an ihr, daß sie kein Fleisch ansetzt. «Es ist, als nähme man ein Skelett mit ins Bett», sagt er. «Unlängst nahm ich sie nachts – aus Mitleid – mit, und was glaubst du, was das verrückte Luder mit sich selbst gemacht hat? Sie hatte sie sich rasiert – keine Spur von einem Haar daran! Hast du jemals eine Frau gehabt, die ihre Pussi ausrasiert? Es ist abstoßend, was? Und auch komisch. Irgendwie verrückt. Es sieht nicht mehr wie eine Pussi aus: es ist wie eine tote Muschel oder so was.» Er beschreibt mir, wie er mit erwachter Neugier aus dem Bett stieg und seine Taschenlampe holte. «Ich ließ sie sie aufhalten und richtete die Taschenlampe darauf. Du hättest mich sehen sollen … es war komisch. Ich regte mich so darüber auf, daß ich sie ganz vergaß. Noch nie in meinem Leben habe ich mir eine Möse so genau angesehen. Man hätte glauben können, ich hätte noch nie vorher eine gesehen. Und je mehr ich sie anschaute, desto weniger interessant wurde sie. Es zeigt einem nur, daß gar nichts dahintersteckt, besonders wenn sie rasiert ist. Es ist das Haar, was sie so geheimnisvoll macht. Darum läßt einen eine Statue kalt. Nur einmal sah ich eine richtige Möse an einer Statue – sie war von Rodin. Du mußt sie dir mal anschauen … sie hat die Beine weit gespreizt … ich glaube, sie hatte keinen Kopf. Nur eben eine Möse, hätte man sagen mögen. Herrje, sah sie greulich aus! Die Sache ist die – sie sehen alle gleich aus. Wenn man sie mit ihren Kleidern am Leib betrachtet, stellt man sich alles mögliche vor: man verleiht ihnen so etwas wie eine Individualität, die sie natürlich nicht haben. Es ist ganz einfach ein Spalt da zwischen den Beinen, und man gerät darüber ganz in Hitze – man schaut sie die halbe Zeit nicht einmal an. Man weiß, sie ist dort, und denkt nur an das eine, seinen Ladestock hineinzubringen; es ist, als ob der Penis das Denken für einen besorgte. Es ist eine Illusion! Man gerät in Feuer über nichts … über einen Spalt mit Haaren drumherum oder ohne Haar. Sie ist so vollkommen bedeutungslos, daß ich nicht aufhören konnte, sie anzuschauen. Ich muß sie zehn Minuten oder länger studiert haben. Wenn man sie in dieser Weise, gleichsam losgelöst, betrachtet, kommen einem komische Gedanken. Dieses ganze Geheimnis um den Sexus, bis man schließlich entdeckt, daß es

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