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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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in Tanias Busen gesteckt und drückte ihre Tittchen mit aller Kraft, ich sah das Wasser unter der Brücke und die Boote und in der Ferne Notre-Dame, ganz so wie es auf Postkarten dargestellt ist, und ich dachte trunken bei mir selber, so wird man fertiggemacht, aber ich ließ mir auch nichts anmerken und wußte, nie würde ich all diesen Wirbel um Rußland oder den Himmel oder sonstwas auf Erden hergeben. Es war ein schöner Nachmittag, dachte ich bei mir, und bald würden wir uns den Bauch vollschlagen, und wir konnten uns etwas Besonderes leisten, einen schweren Wein, der diese ganze Rußlandgeschichte ertränken würde. Frauen wie Tania, die voll Saft sind und so, pfeifen darauf, was mit ihnen geschieht, wenn sie sich erst einmal eine Idee in den Kopf gesetzt haben. Wenn man sie gewähren läßt, ziehen sie einem gleich im Taxi die Hose aus. Es war jedoch großartig, sich so durch den Verkehr zu schlängeln, die Gesichter vollkommen mit Rouge beschmiert und mit dem Wein, der in uns wie in einem Abflußkanal gurgelte, besonders als wir in die Rue Laffitte einbogen, die gerade breit genug ist, um den kleinen Tempel am Straßenende einzurahmen, und darüber Sacré-Cœur, eine Art von exotischem Architekturmischmasch, eine luzide französische Idee, die durch unsere Trunkenheit sticht und uns hilflos in der Vergangenheit schwimmen läßt, in einem fließenden Traum, der uns hellwach macht und doch nicht an den Nerven zerrt.
    Jetzt, nach Tanias Rückkehr, mit einem festen Job, dem betrunkenen Gerede über Rußland, den nächtlichen Heimwegen und dem hochsommerlichen Paris, scheint das Leben wieder ein freundlicheres Gesicht zu zeigen. Darum kommt mir ein solcher Brief, wie ihn mir Boris geschrieben hat, so närrisch vor. Fast jeden Tag treffe ich Tania gegen fünf Uhr, um ein Glas Porto mit ihr zu trinken, wie sie sagt. Ich lasse mich von ihr in Lokale führen, die ich nie zuvor gesehen habe, die schicken Bars um die Champs-Élysées, wo die Klänge von Jazzmusik und babyhaftem Geplärre durch die Mahagonivertäfelung zu dringen scheinen. Sogar wenn man zum lavabo geht , verfolgen einen diese breiigen, aufgeweichten Töne, dringen durch die Ventilatoren in den Lokus und machen das Leben zu Seife und schimmernden Blasen. Und sei es nun, weil Sylvester fort ist und sie sich jetzt frei fühlt, oder aus welchem anderen Grund auch immer, Tania versucht jedenfalls, sich wie ein Engel zu benehmen. «Du hast mich gemein behandelt, ehe ich fortfuhr», sagt sie eines Tages zu mir. «Warum hast du es darauf angelegt? Ich habe nie etwas getan, um dich zu verletzen, oder?» Wir wurden gefühlvoll, wohl infolge des gedämpften Lichtes und der durch das Lokal sickernden sahnigen Mahagonimusik. Es war langsam Zeit, an die Arbeit zu gehen, und wir hatten noch nichts gegessen. Vor uns lagen die Kassenzettel – sechs Francs, vier fünfzig, sieben Francs, zwei fünfzig – ich rechnete sie mechanisch zusammen und fragte mich gleichzeitig, ob ich nicht lieber Barmann wäre. Oft, wenn sie so mit mir sprach, von Rußland, der Zukunft, von Liebe und all dem Unsinn schwärmte, dachte ich an die belanglosesten Dinge, an Schuhputzen und wie es wäre, ein Klomann zu sein; das besonders deshalb, glaube ich, weil es so gemütlich in den Kneipen war, in die sie mich schleppte, und mir nie der Gedanke kam, daß ich stocknüchtern und vielleicht alt und gebeugt sein würde … nein, ich stellte mir immer vor, daß die Zukunft, wie bescheiden auch immer, sich in genau solcher Umgebung abspielen würde, wobei mir die gleichen Melodien durch den Kopf fluten, die Gläser klingen und hinter jedem prallen Weiberhintern eine auf eine Elle weit zu riechende Parfumschleppe nachschleifen würde, die den üblen Gestank aus dem Leben tilgte, sogar unten im lavabo .
    Merkwürdig ist, daß es mich nicht verdarb, mit ihr so in den schicken Bars herumzuziehen. Es fiel einem bestimmt schwer, sich von ihr zu trennen. Manchmal führte ich sie in den Vorgarten einer in der Nähe des Büros gelegenen Kirche, und dort, im Dunkel, umarmten wir uns ein letztes Mal, wobei sie mir zuflüsterte: «Mein Gott, was soll ich jetzt anfangen?» Sie wollte, daß ich die Stelle aufgäbe, damit wir uns Tag und Nacht lieben könnten. Es lag ihr sogar nichts mehr an Rußland, solange wir nur beieinanderblieben. Aber sobald ich sie verlassen hatte, wurde mein Kopf klar. Es war eine andere, nicht so einschmeichelnde, aber trotzdem gute Musik, die an meine Ohren drang, wenn ich durch die

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