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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Gesellschaft eines Freundes unterhält, war es nur natürlich, daß er sich auf der Suche nach der ihm nötigen Gesellschaft an jemanden wie mich anschloß, der über eine Menge Zeit verfügte. Die Leute behaupteten, er sei langweilig, und das war er wohl auch, aber wenn man etwas zu essen braucht, kann man sich mit Schlimmerem abfinden, als gelangweilt zu werden. Alles in allem machte er trotz der Tatsache, daß er ununterbrochen sprach, gewöhnlich über sich selbst oder die Schriftsteller, die er sklavisch bewunderte – solche komischen Vögel wie Anatole France und Joseph Conrad –, meine Nächte auf andere Art interessant. Er tanzte gerne, schätzte gute Weine und liebte Frauen. Daß er auch Byron und Victor Hugo liebte, konnte man verzeihen. Er war erst vor ein paar Jahren von der Universität abgegangen und hatte noch reichlich Zeit vor sich, um von diesem Geschmack geheilt zu werden. Was mir an ihm gefiel, war seine Abenteuerlust.
    Wir wurden sogar noch besser – ich möchte sagen intimer – miteinander bekannt infolge eines seltsamen Vorfalls, der sich während meines kurzen Aufenthaltes bei Krüger ereignete. Es trug sich gerade nach der Ankunft von Collins zu, eines Seemanns, den Fillmore auf der Überfahrt von Amerika kennengelernt hatte. Wir drei pflegten uns regelmäßig auf der terrasse des Rotonde zu treffen, ehe wir zum Essen gingen. Immer gab es Pernod, ein Getränk, das Collins in gute Laune versetzte und das sich als Unterlage für den Wein, das Bier und die Cognacs erwies, die nachher gekippt werden mußten. Die ganze Zeit, die Collins in Paris verbrachte, lebte ich wie ein Fürst. Immer nur Geflügel und erlesene Weine und Nachspeisen, von denen ich vorher nicht einmal gehört hatte. Noch einen Monat dieser Kost, und ich wäre gezwungen gewesen, nach Baden-Baden, Vichy oder Aix-les-Bains zu gehen. Inzwischen brachte Krüger mich in seinem Atelier unter. Ich fing an, ihm zur Last zu fallen, denn ich erschien nie vor drei Uhr morgens, und es war schwierig, mich vor zwölf aus dem Bett zu bringen. Offen äußerte Krüger nie ein Wort des Vorwurfs, aber seine Art gab deutlich genug zu verstehen, daß ich mich zu einem Strolch entwickelte. Eines Tages wurde ich krank. Das üppige Leben übte seine Wirkung auf mich aus. Ich weiß nicht, was mir fehlte, aber ich konnte nicht aus dem Bett kommen. Ich hatte meine ganze Widerstandskraft und mit ihr alles, was ich an Mut besaß, eingebüßt. Krüger mußte für mich sorgen, er mußte mir Kraftbrühe bereiten usw. Es war eine lästige Zeit für ihn, zumal da er gerade im Begriff war, eine wichtige Ausstellung in seinem Atelier zu veranstalten. Er wollte einigen wohlhabenden Kunstverständigen, von denen er Unterstützung erwartete, privatim seine Arbeiten zeigen. Das Lager, auf dem ich lag, stand im Atelier. Es gab kein anderes Zimmer, in dem man mich hätte unterbringen können.
    Am Morgen des Tages, an dem er seine Ausstellung veranstalten wollte, erwachte Krüger tief verstimmt. Wenn ich imstande gewesen wäre, auf den Beinen zu stehen, weiß ich, daß er mir einen Kinnhaken versetzt und mich hinausgeworfen hätte. Aber ich war erschöpft und schwach wie eine Katze. Er versuchte, mich aus dem Bett herauszulocken, um mich bei Ankunft seiner Gäste in die Küche zu sperren. Ich war mir bewußt, daß ich ihm seine Pläne durchkreuzte. Die Leute können nicht begeistert Bilder und Plastiken betrachten, wenn vor ihren Augen ein Mensch stirbt. Krüger glaubte ernstlich, ich läge im Sterben. Das glaubte ich auch. Darum konnte ich trotz meines Schuldgefühls keine Begeisterung aufbringen, als er mir vorschlug, einen Krankenwagen anzurufen und mich ins Amerikanische Hospital bringen zu lassen. Ich wollte gemütlich hier im Atelier sterben. Ich wollte nicht gezwungen werden, aufzustehen und einen besseren Platz zum Sterben zu suchen. Es lag mir wahrhaftig nichts daran, wo ich starb, so lange ich nur nicht aufzustehen brauchte.
    Als er mich so reden hörte, geriet Krüger in Bestürzung. Noch schlimmer, als bei der Ankunft der Besucher einen Kranken in seinem Atelier zu haben, wäre ein Toter. Das würde alle seine Chancen verderben, gering, wie sie ohnehin schon waren. Er sagte mir das natürlich nicht mit diesen nüchternen Worten, aber ich konnte an seiner Aufregung merken, daß es das war, was ihn beunruhigte. Und das machte mich störrisch. Ich weigerte mich, ihn das Hospital anrufen zu lassen. Sträubte mich, daß er sich mit dem Arzt in Verbindung

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