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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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setzte. Sträubte mich gegen alles.
    Er wurde am Schluß so wütend auf mich, daß er mich trotz meines Protestes anzukleiden begann. Ich war zu entkräftet, um Widerstand zu leisten. Ich konnte nur schwach murmeln: «Sie Saukerl, Sie!» Obwohl es draußen warm war, fror ich wie ein Hund. Nachdem er mich völlig angezogen hatte, warf er mir einen Mantel über und schlüpfte hinaus, um zu telefonieren. «Ich gehe nicht! Ich gehe nicht!» versicherte ich immer wieder, aber er warf einfach die Tür vor meiner Nase zu. Nach ein paar Minuten kam er zurück und machte sich, ohne ein Wort an mich zu richten, im Atelier zu schaffen. Letzte Vorbereitungen. Bald darauf wurde an die Tür geklopft. Es war Fillmore. Collins warte unten, sagte er mir.
    Die beiden, Fillmore und Krüger, hakten mich unter und stellten mich auf die Beine. Während sie mich zum Aufzug schleppten, wurde Krüger milder. «Es ist zu Ihrem eigenen Besten», sagte er. «Und außerdem wäre es nicht anständig gegen mich. Sie wissen, wie ich all diese Jahre habe kämpfen müssen. Sie müssen auch an mich denken.» Er war tatsächlich dem Weinen nahe.
    Kaputt und elend, wie ich mich fühlte, mußte ich über seine Worte beinahe lächeln. Er war beträchtlich älter als ich, und wenn er auch ein talentloser Maler, ein durch und durch talentloser Künstler war, so verdiente er doch wenigstens einmal im Leben einen Auftrieb.
    «Ich bin Ihnen nicht böse», murmelte ich. «Ich verstehe, wie es ist.»
    «Sie wissen, daß ich Sie immer gern mochte», antwortete er. «Wenn es Ihnen besser geht, können Sie wieder hierher zurückkommen und bleiben, so lange Sie wollen.»
    «Ja, ich weiß … ich kratze noch nicht ab», brachte ich heraus.
    Irgendwie wirkte es belebend auf mich, als ich Collins unten stehen sah. Wenn jemals ein Mensch durch und durch lebendig, gesund, heiter und großmütig schien, so war er es. Er hob mich hoch, als wäre ich eine Puppe, und legte mich sanft auf den Wagensitz, was ich zu schätzen wußte nach der Art und Weise, wie Krüger mich behandelt hatte.
    Als wir am Hotel vorfuhren – dem Hotel, in dem Collins wohnte –, gab es einen kleinen Disput mit dem Besitzer, während ich langgestreckt auf dem Sofa im Büro lag. Ich hörte Collins zu dem patron sagen, es sei nichts Ernstliches, nur eine kleine Schwäche, in ein paar Tagen würde es wieder gut sein. Ich sah ihn dem Mann einen knisternden Schein in die Hand drücken, dann wandte er sich rasch und geschmeidig ab, kam zu mir zurück und sagte: «Los, raffen Sie sich auf! Lassen Sie ihn nicht glauben, daß Sie auf dem letzten Loch pfeifen.» Und damit stellte er mich auf die Beine und führte mich, indem er mich mit einem Arm stützte, zum Aufzug.
    Lassen Sie ihn nicht glauben, daß Sie auf dem letzten Loch pfeifen! Offenbar war es schlechter Geschmack, unter den Händen fremder Leute zu sterben. Man sollte im Schoß der Familie, sozusagen heimlich sterben. Seine Worte wirkten ermutigend. Ich begann, alles als einen schlechten Witz zu betrachten. Droben entkleideten sie mich, nachdem die Tür geschlossen war, und steckten mich ins Bett. «Sie können jetzt nicht sterben, verdammt noch mal!» sagte Collins herzlich. «Sie brächten mich schön in Verlegenheit. Außerdem, was, zum Teufel, fehlt Ihnen denn? Ertragen Sie das gute Leben nicht? Kopf hoch! In ein paar Tagen essen Sie wieder ein Porterhouse-Steak. Sie bilden sich ein, krank zu sein. Warten Sie nur, bis Sie sich eine Syphilis geholt haben. Dann können Sie jammern …» Und er begann in humorvoller Weise seine Fahrt den Jangtsekiang hinunter zu schildern, als ihm die Haare und Zähne ausgefallen waren. In meinem geschwächten Zustand hatte seine Darstellung eine ungewöhnlich beruhigende Wirkung auf mich. Ich vergaß ganz, an mich zu denken. Er hatte Mumm, der Junge. Vielleicht trug er mir zuliebe ein bißchen dick auf, aber ich hörte ihm im Augenblick kritiklos zu. Ich war ganz Auge und Ohr. Ich sah die schmutzige, gelbe Flußmündung vor mir, die auftauchenden Lichter Hankaus, das Meer gelber Gesichter, die Sampans, die durch die Strudel und Stromschnellen schossen, die mit dem Schwefelatem des Drachens gischteten. Was für eine Geschichte! Die Kulis, die jeden Tag das Schiff umschwärmten, um die über Bord geworfenen Abfälle aufzufischen. Tom Slattery, der sich auf seinem Sterbebett aufrichtete, um einen letzten Blick auf die Lichter Hankaus zu werfen. Der schöne Eurasier, der in einem verdunkelten Zimmer lag und sich Gift

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