Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
„Vielleicht war Gablenz ja auch vorher schon ein Monster, und Megatonin hat nur verstärkt, was sowieso in ihm steckte. Aber darüber sollen sich andere den Kopf zerbrechen, das ist nicht mein Job. Los, jetzt, Professor, holen Sie Ihre Sachen! Ich habe nicht den ganzen Nachmittag Zeit.“
Das reichte, Susanne hatte genug gehört. Ihn zu eliminieren, so wie Conrad , hatte Kettler gesagt. Was mochte sich in der Eifel abspielen? Sie mußte unbedingt Jonas anrufen. Das alles war verrückt. Vollkommen verrückt. Aber nun stand jedenfalls fest, daß Schleis Geschichte stimmte. Sie betete, daß nicht plötzlich einer von den grauuniformierten Gorillas zwischen den Tannen auftauchte, und lief so schnell sie konnte zurück zum Zaun, die Hütte als Deckung nutzend. Ohne zu zögern oder sich noch einmal umzudrehen, zog sie sich am Zaun hoch und schwang sich hinüber, in der Hoffnung, daß Schleis Nachbar nicht ebenfalls eine Vorliebe für Dobermänner hatte und sie Kettlers Männern nicht genau in die Arme sprang.
Doch der Garten auf der anderen Seite war leer, keine Männer und, gottlob, auch keine Hunde. Susanne lief an einem Komposthaufen vorbei, dann an einem kleinen Teich mit hohen Schilfkolben. Zum Glück schien niemand zu Hause zu sein, die Tür der großen Veranda war geschlossen. Zwischen Doppelgarage und Haus gab es ein hohes, schmiedeeisernes Tor hinaus zur Straße. Es zu überklettern war eine mühsame Angelegenheit, da das Tor nur senkrechte Streben hatte. Sie blieb an einer der oben aufragenden Eisenspitzen hängen und wäre beinahe kopfüber hinunter auf die Steinplatten gestürzt, fing sich aber noch, so daß sie sich lediglich ein Loch in die Jeans riß.
Dann stand sie im Schatten des Hauseingangs und schaute die Straße hinauf und hinunter. Die meisten Häuser hatten Carports oder Doppelgaragen. Nur wenige Autos parkten entlang der Straße. Soweit sie sehen konnte, saß in keinem von ihnen jemand. Einen Moment fragte sie sich, ob Kettlers angebliche oder tatsächliche BKA-Beamte es wagen würden, sie kurzerhand auf offener Straße zu verhaften, aber wenn es sich um eine illegal operierende Geheimorganisation handelte - nachdem sie das Gespräch mit Kettler belauscht hatte, glaubte sie nicht mehr, daß Schlei diesbezüglich übertrieb -, schreckten sie vermutlich vor kaum etwas zurück.
Sie mußte telefonieren. Schnell. Jonas anrufen. Und Antweiler. Zweifellos handelte es sich um die unglaublichste Geschichte, mit der sie ihm je gekommen war, doch sie hatte keine andere Wahl. Irgendwie mußte sie ihn überzeugen. Sie hielt es für ausgeschlossen, daß er mit Kettler und seinen Hintermännern unter einer Decke steckte. Bestimmt war er ganz einfach auf Kettlers offenbar perfekte Tarnung als normaler BKA-Beamter hereingefallen Jetzt hätte sie sich dafür ohrfeigen können, daß sie ihr Handy vergessen hatte. Verdammt! Mit dem Handy hätte sie sich hinter irgendeiner Gartenmauer im Gebüsch verstecken und einigermaßen sicher telefonieren können. Sie sah keine Telefonzelle in der Nähe. Irgendwo an einem Privathaus zu klingeln, um von dort aus anzurufen, erschien ihr zu umständlich, außerdem riskierte sie, daß vielleicht erst beim zweiten oder dritten Haus geöffnet wurde. Das einzige Geschäft in dieser Wohnstraße war eine Bäckerei auf der anderen Straßenseite, etwa fünfzig Meter entfernt. Sie löste sich aus der Deckung des Hauseingangs und rannte auf die Bäckerei zu. Über dem Asphalt flimmerte die Hitze, die Luft drang heiß in Susannes Lungen.
Als sie sich der Bäckerei näherte, drehte sie sich im Laufen um. Ein Wagen rollte langsam heran, ein weißer Wagen. Susanne sprintete über die Straße, so schnell sie konnte. Sie hörte, wie der Wagen mit aufheulendem Motor und quietschenden Reifen beschleunigte. Ein paar Meter trennten sie noch von der Bäckerei, als der Wagen an ihr vorbeischoß und mit kreischenden Bremsen vor dem Geschäft abstoppte. Die Türen flogen auf, und zwei Männer in Zivil sprangen heraus. Susanne erkannte ihre Gesichter sofort. Sie blieb keuchend stehen. Hinter ihr jagte ein zweiter Wagen heran.
„Wir haben einen Riesenärger bekommen, als Sie uns entwischt sind“, sagte einer der beiden Männer, und man merkte ihm die Genugtuung deutlich an. „Das passiert garantiert kein zweites Mal.“
„Was wollen Sie von mir?“ fragte Susanne mit Unschuldsmiene. „Liegt ein Haftbefehl gegen mich vor, oder was?“ Hoffentlich merkten sie ihr nicht an, daß ihr das Herz bis
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