Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Titel: Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
Vom Netzwerk:
heulte noch einmal. Sie hatte das unangenehme Gefühl, sich lächerlich zu machen. Ein paar Kinder fingen an zu kichern. Nichts. Das Windrauschen in den Bäumen als einzige Antwort.
    Eine der Lehrerinnen, eine etwas verhärmt aussehende Frau Ende Dreißig, ging zu Chris und baute sich regelrecht vor ihr auf. Mit zitronensaurem Gesicht sagte sie: „Hören Sie, als ich hier im Wildpark angerufen habe, wurde mir gesagt, daß die Wölfe bei der Fütterung auf jeden Fall zu sehen seien. Die Kinder haben während der ganzen Busfahrt von nichts anderem geredet. Jetzt sind sie natürlich enttäuscht.“
    „Ich verstehe das auch nicht“, sagte Chris hastig. „Die Wölfe kommen sonst immer zur Fütterung. Ich muß feststellen, was da los ist. Entschuldigen Sie mich. Sie können sich ja noch die Wildschweine ansehen…“
    „Die Wildschweine? Wir werden das Eintrittsgeld zurückverlangen!“ Die Stimme der Lehrerin klang jetzt noch schriller.
    „Meinetwegen. Wenn Ihnen dann wohler ist!“ gab Chris patzig zurück und ließ sie einfach stehen. Sehr diplomatisch war das nicht gerade gewesen, aber in dieser Hinsicht war sie einfach nicht so begabt wie Dr. Wegmeier. Sie stürmte davon, um Fred zu holen. Sie mußten im Gehege nachschauen. Plötzlich kam ihr der schreckliche Gedanke, daß jemand die Wölfe vergiftet haben könnte. Aber wer war imstande, so etwas zu tun? Und wozu? Sie mußte wieder an den seltsamen Mann von gestern denken, an das bizarre Verhalten der Wölfe ihm gegenüber. Was war denn los mit den Tieren?
    Fred war gerade dabei, die Rothirsche zu füttern. Als Chris herbeirannte, hob er erstaunt den Kopf. „Die Wölfe kommen nicht zur Fütterung.“ Chris war so außer Atem, daß sie die Worte kaum herausbrachte. Fred, ein bedächtiger Ur-Eifler, schüttelte langsam den Kopf. „Sie kommen immer zur Fütterung.“
    Schwerfälliger Fred! Heute nicht, heute sind sie nicht gekommen! Chris atmete tief durch. Okay, sie mußte sich zusammenreißen. Daß sie hier herumrannte wie eine Verrückte, machte die Sache auch nicht besser. „Wir müssen ins Gehege. Nach ihnen sehen.“ Jetzt war ihre Stimme wieder ruhiger.
    Fred hob die Hände. „Du weißt, ich geh da nicht gerne rein.“
    „Wir nehmen Elektroschlagstöcke und Schreckschußpistolen mit, zur Vorsicht.“
    Fred zuckte die Achseln. „Na gut, wenn du meinst.“ Grinsend fügte er hinzu: „Du bist die Chefin, jetzt wo Wegmeier verreist ist.“
    Sie holten sich Schlagstöcke und Pistolen und gingen zügig zum Wolfsgehege zurück. Fred ging grundsätzlich. Chris hatte ihn noch nie rennen sehen. Unterwegs kamen ihnen die beiden Schulklassen entgegen, die offenbar dem Ausgang zustrebten. Kurz bevor sie das Gehege erreichten, durchzuckte Chris die Hoffnung, daß die Wölfe vielleicht einfach nur verschlafen hatten, warum auch immer, und jetzt putzmunter ihr Futter verschlangen. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Das Fleisch lag unberührt vor der Tribüne. Kein Wolf war zu sehen. „Komisch“, sagte Fred. „Was ist denn in die Viecher gefahren?“
    Chris zitterte vor Unruhe. „Los, sehen wir nach“, sagte sie, ging entschlossen zum Tor und öffnete es.
    In den meisten Fällen wurden Gehegewölfe von Menschen aufgezogen, so daß eine starke soziale Bindung an den betreffenden Menschen entstand. Die Wölfe hier im Eifelwildpark lebten dagegen praktisch wild. Sie zogen ihre Jungen selbst auf, und von der Fütterung abgesehen, bei der der Tierpfleger ja nur ein paar Meter ins Gehege hineinging, um Fleisch zu bringen, blieben die Wölfe normalerweise unter sich. So hatten sie ihre natürliche Scheu vor dem Menschen bewahrt und verhielten sich genauso, wie Chris es von den Wölfen der kanadischen Wildnis kannte.
    Bei der Anordnung von Dr. Wegmeier, das Gehege nur zu zweit, mit Elektroschlagstöcken und Schreckschußpistolen bewaffnet, zu betreten, handelte es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme. Während der sieben Jahre, die das Wolfsgehege nun bestand, war es noch nie zu einem Zwischenfall gekommen, und das, obwohl die Tiere sich immer wieder an neue menschliche Gesichter und Gerüche gewöhnen mußten, weil das sie betreuende Personal häufig wechselte. Auch als Chris kurz nach ihrer Ankunft mit Dr. Wegmeier zum ersten Mal ins Gehege gegangen war, um einen bei einer Beißerei schwer verletzten Wolf herauszunehmen, hatten die Wölfe nur ein paarmal gewufft, um die Welpen zu warnen, und die beiden Wissenschaftler ansonsten aus sicherer Distanz beobachtet,

Weitere Kostenlose Bücher