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Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Titel: Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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war es ihnen schließlich gelungen, die kleinen Wölfe mit Fleisch anzulocken und in den Tiertransport-Anhänger zu verfrachten. Der Anhänger mit den fünf Welpen darin stand nun vor der Besuchertribüne im Gehege. Chris hatte an der gewohnten Futterstelle frisches Fleisch für die Wölfe ausgelegt und das Tor des Geheges weit geöffnet. Außerdem hatte sie, damit die Wölfe wieder in den Park hineinkonnten, das Gatter des Wirtschaftsweges, der westlich des Wolfsgeheges hinaus in den Wald führte, weit geöffnet.
    Nun, am späten Abend, saß Chris mit einer Wolldecke, einer Thermoskanne voll Früchtetee und einem Stück selbstgebackenem Nußkuchen auf der hölzernen Besuchertribüne und wartete. Wenn die Wölfe zurückkehrten und, hoffentlich, ins Gehege zum Fleisch und ihren Welpen liefen, wollte Chris leise von der Tribüne steigen und rasch das Tor schließen. Das schien ein ganz brauchbarer Plan zu sein, und sie hoffte, daß er funktionieren würde.
    Fred war nur sehr widerstrebend nach Hause gefahren.
    „Es gefällt mir nicht, daß du ganz allein im Park bist, wenn da irgendwelche Typen herumschleichen, die Zäune durchschneiden und Wölfe befreien“, hatte er gesagt.
    „Und was ist, wenn die Wölfe dich angreifen, während du versuchst das Tor zuzumachen?“ Sie hatte ihm versprechen müssen Elektroschlagstock und Schreckschußpistole mitzunehmen und sofort zum Forsthaus zu laufen und ihn anzurufen, falls etwas Unvorhergesehenes geschehen sollte.
    Ehe er zu Bürgermeister Honadel ging, hatte Jonas kurz angerufen und angeboten abends vorbeizuschauen und mit ihr auf der Tribüne zu wachen, aber Chris hatte abgelehnt, weil sie nicht wollte, daß die Wölfe durch einen unvertrauten Geruch abgeschreckt wurden.
    Normalerweise machte Chris das Alleinsein draußen in der Natur nichts aus. Allein zu sein war oft leichter, als mit Menschen zusammenzusein, denen sie etwas vorspielen mußte, weil sie sie sonst nicht verstanden hätten. Hier im Wald fühlte sie sich wohl. Als sie an den rothaarigen Mann dachte, an die Art, wie er geheult und am Zaun gerüttelt hatte, wurde ihr aber doch ein bißchen mulmig.
    Um sich abzulenken, legte Chris den Kopf in den Nacken und genoß den Anblick der Millionen Lichtpunkte namens Milchstraße. In Kanada hatte sie manchmal fast die ganze Nacht am heruntergebrannten Lagerfeuer gelegen und hinauf zu den Sternen geschaut, endlos weite, menschenleere Landschaft unten und endlos weites Weltall oben. Chris hatte gelesen, daß es in den USA einen Psychiater gab, der seine Patienten mit Astronomie behandelte. Sie hielt das für eine ausgezeichnete Idee. Vielleicht würden die Menschen friedlicher und ausgeglichener werden, wenn sie in jeder klaren Nacht für ein, zwei Stunden in die Sterne schauten statt ins Fernsehen. Man könnte eine Religion daraus machen, überlegte sie. Der Sternenhimmel war die schönste aller Kathedralen.
    Sie blickte wieder nach unten, zum Wolfsgehege. Im Transportanhänger war es jetzt ruhig. Die Welpen schliefen offenbar, nachdem sie zuvor immer wieder leise gewinselt oder gejault hatten. Chris hatte gute Augen, und in einer so klaren Nacht gab es genug Licht, um die Konturen der Dinge deutlich wahrzunehmen. Chris war sicher, daß sie die Wölfe sehen würde, wenn sie ins Gehege zurückkehrten. Und dann hieß es, rasch das Tor zuzusperren. Auf keinen Fall durfte sie einschlafen. Sie beugte sich vor, nahm die Thermoskanne und trank etwas Tee.
    Die Wölfe mußten zurückkommen. Die Sorge für die Welpen war ein besonders stark ausgeprägter, der Arterhaltung dienender Instinkt.
    Chris bekam plötzlich Appetit. Sie breitete das Küchenhandtuch, in das sie den Kuchen eingeschlagen hatte, auf ihrem Schoß aus, brach ein Stück vom Kuchen ab und biß hinein. Er war ihr recht gut gelungen. Viele gute Sachen waren darin: Vollkornmehl von den Bühlinger Feldern, Haselnüsse von den Nußsträuchern hinter dem Forsthaus, Honig von Dr. Wegmeiers Bienen, die im Wald und im Itzbachtal herumschwirrten, Eier, viel Biobutter ... Er war nicht zu trocken, sondern schön saftig.
    Für eine Weile beschäftigte sie sich ganz mit dem Kuchen. Als sie ihn aufgegessen hatte, fühlte sie sich wohlig satt. Sie faltete das Küchenhandtuch wieder zusammen und legte es neben sich auf die Bank.
    Wenn sie sich morgens im Spiegel betrachtete, fand sie es eher faszinierend als erschreckend, wie sehr sie sich äußerlich veränderte. Eigentlich hätte der Speck, den sie um Taille und Hüften

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