Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
dagegen gebildet, und auch die Grünen protestierten lautstark, aber ohne Erfolg.
Die Trasse führte von Blankenburg, wo der von Köln kommende Autobahnstumpf bislang geendet hatte, durch den Buchfelder Staatsforst und sollte durch den Itzwald nach Rheinland-Pfalz verlaufen, wo sie dann in die Autobahn Koblenz-Trier einmünden würde. Ein häßlicher, brutaler chirurgischer Schnitt durch den ruhigsten, schönsten und waldreichsten Teil der Eifel. „Warum steckt ihr das viele Geld nicht statt dessen in den öffentlichen Nahverkehr?“ fragte Jonas. „ Das wäre wirklich zeitgemäß. In zwanzig Jahren ist das Benzin garantiert so teuer, daß sich die kleinen Leute ohnehin kein Auto mehr leisten können. Wenn ihr so weitermacht, wähle ich beim nächsten Mal die Grünen!“
„Ach, die Grünen“, sagte Honadel etwas verächtlich, „ein paar von denen sind ganz in Ordnung, das gebe ich ja zu — aber es sind mir immer noch zu viele Träumer und Spinner dabei.“
Jonas mußte an Chris denken, die neue, mollig gewordene Chris. Während seiner Jahre in Köln hatte er versucht, sich an den hektischen Lebensrhythmus der Großstadt anzupassen, und sich mit einigen mageren, stark geschminkten, durchgestylten Stadtfrauen eingelassen. Die Beziehungen hatten nie lange gehalten und meistens damit geendet, daß diese Frauen ihn mit seinen idyllischen Träumen vom Häuschen im Grünen mit Kindern, Hund und Katze als unerträglich spießig abqualifizierten. Zeitweilig hatte er sich auch selbst für ho ff nungslos altmodisch gehalten und geglaubt, mit ihm stimme etwas nicht. Aber mit einer Frau, der die Ruhe auf dem Land nicht auf die Nerven ging, die gern gärtnerte und Tiere mochte ... nun, zumindest träumen konnte er ja davon.
„Und deine Hexe ist also wieder in der Gegend“, sagte Honadel unvermittelt. Jonas zuckte unwillkürlich zusammen. So hatten sie sie damals immer genannt. Boshaft und spöttisch. Seht nur, da kommen Jonas und die Hexe! Dabei war sie gar nicht klein und rothaarig und hinkend und schiefzähnig, sondern groß und schön und blond und blauäugig. Aber das hatte ihr nichts genützt. Sie war anders. Das genügte.
Er spürte die alte Wut wieder in sich hochsteigen, jäh und überraschend heftig. „Nenn sie nicht so!“ sagte er schro ff .
Honadel hob die Brauen. „Ich wußte nicht, daß ... ich meine ...“ Einen Moment schwieg er betreten, dann sagte er: „Entschuldige, war nicht so gemeint. Ich glaube, wir sind damals manchmal ganz schön gemein zu euch gewesen.“ Er zuckte die Achseln. „Na ja, wie junge Leute halt so sind, die es nicht besser wissen.“ Er prostete Jonas versöhnlich zu. „Ach, komm, lassen wir doch die alten Geschichten! Wie man hört, ist ja wohl doch noch was Anständiges aus Chris geworden. Die Vorträge, die sie dort am Wolfsgehege hält, sollen wirklich gut sein. Die Lehrer hier an der Schule loben sie jedenfalls in den höchsten Tönen.“
Jonas war die Lust auf weiteres Biergerede vergangen. Er schaute auf die Uhr und sagte kurz angebunden: „So, Schluß für heute.“
Honadel seufzte. „Okay, wie du meinst. Und noch mal: Entschuldigung.“ Ganz jovialer Bürgermeister, winkte er Willy zu sich. Sie zahlten und gingen hinaus, wo ein sternenklarer Himmel sich über der Eifel wölbte.
Ihr Weg führte ein Stück in die gleiche Richtung. Als sie ein paar Schritte gegangen waren, blieb Honadel plötzlich stehen und faßte Jonas am Arm. „Da! Hör mal...“
Bisher war das Heulen der Wölfe aus dem Wildpark nicht bis nach Buchfeld gedrungen, da der Park hinter der hoch aufragenden Kuppe des Dachsberges lag. Jetzt hörte auch Jonas sie, leise, aber dennoch klar und deutlich - ein unheimlicher, klagender Gesang.
„Sind wohl drüben beim Dachsberg unterwegs“, sagte Honadel leise. „Das klingt wie in Sibirien oder in Kanada.“
„Ein bißchen gespenstisch“, murmelte Jonas. Natürlich hatte er sie im Wildpark schon heulen gehört, aber das war tagsüber gewesen, im hellen Sonnenschein und mit einem beruhigend hohen Zaun zwischen ihm und den Wölfen.
„Wir sind bestimmt nicht die einzigen, die das Geheule hören“, sagte Honadel. „Die Leute werden sich Gedanken machen. Vor allem, wenn sich die Wölfe heute nacht ein Schaf oder ein Kalb holen. Morgen müssen wir unbedingt etwas unternehmen.“
Chris hatte mit Fred den Zaun repariert, so gut es ging. Dann hatten sie die Welpen eingefangen, was ziemlich mühselig gewesen war. Nach einigen erfolglosen Versuchen
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