Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
Schweißflecken.
Ein moderner Reisehubschrauber mit Einziehfahrwerk schwebte heran. Auf dem an einen überdimensionalen Delphin erinnernden Rumpf prangte der silbergraue GENOTEC-Schriftzug. Die Maschine setzte auf dem dafür vorgesehenen roten Landekreuz auf, und während die breiten Rotorblätter langsam ausliefen, stieg hinten aus der Kabine ein großer, hagerer Mann mit kurzen, eisgrauen Haaren und gebräunten, scharfkantigen Gesichtszügen. Der Bullige mit dem Schulterhalfter ging ihm entgegen.
Der Neuankömmling drückte ihm die Hand und fragte: „Wie steht‘s in der Eifel, Kettler?“
Kettler verzog sein breites, derbes Gesicht und sagte ohne Umschweife: „Lansky ist tot.“
Der Hagere erbleichte unter seiner Bräune. „Wie konnte das passieren?“
Während sie sich in den Schatten des Aufzugturmes zurückzogen, berichtete Kettler: „Wir wissen noch nichts Genaues. Lansky hat heute morgen allein observiert. Als er sich zuletzt über Funk meldete, teilte er mit, er hätte Gablenz dabei beobachtet, wie er auf einer Lichtung mit dem Wolfsrudel spielte .“ Dabei schüttelte Kettler den Kopf, als könnte er selbst nicht glauben, was er da sagte.
„Knapp zwei Stunden später hat der örtliche Polizeidienststellenleiter vom Hubschrauber aus zufällig Lanskys Leiche entdeckt und den Leichenfund dem Präsidium in Euskirchen gemeldet. Unser dortiger Informant hat die Meldung sofort an uns weitergereicht.“
„Mein Gott. Glauben Sie, Gablenz hat...“
Kettler zuckte die Achseln. „Wer sollte es sonst gewesen sein? Seit er sich Megatonin injiziert hat, verhält er sich völlig ... bizarr. Er wollte heimlich, ohne viel Aufsehen, am Gehege ausprobieren, ob er einen telepathischen Kontakt zu dem Rudel herstellen und die Tiere eventuell sogar beeinflussen kann, Statt dessen befreit er die Wölfe! Verdammt! Ich habe Sie gewarnt, Dr. Roloff! Der Versuch hätte auf jeden Fall im Labor durchgeführt werden müssen, unter kontrollierten Bedingungen. Nach all dem Ärger mit Conrad und Scholl...“
Dr. Roloffs Augen blitzten auf. „Für die Probleme in der Sache Conrad sind allein Sie verantwortlich, Kettler! Hätten Sie sorgfältiger gearbeitet, wäre diese neugierige Kripokommissarin gar nicht erst auf dumme Gedanken gekommen!“ Er strich sich durch sein eisgraues Haar. „Ach, lassen wir das. Sie wissen doch, wie dringend ich bei dem Megatonin-Projekt einen Erfolg brauche. Die Konzernzentrale sitzt mir im Nakken! Der Einkauf von Gablenz und Schlei hat damals sehr viel Geld gekostet, und wir haben inzwischen beträchtliche Summen in Gablenz` Megatoninforschung gesteckt. Gablenz ist nun einmal eigenwillig, wie die meisten genialen Forscher. Es erschien mir am sinnvollsten, ihm möglichst freie Hand zu lassen, damit er endlich zu verwertbaren Ergebnissen kommt. Ich konnte doch nicht ahnen, daß er, nun ja, durchdrehen und dieses Wolfsrudel befreien würde! Aber ich kann nicht glauben, daß er nun auch noch Lansky getötet haben soll. Aus welchem Grund denn?“
Kettler schnaubte ärgerlich. „Vielleicht ist er mit seinen neu erworbenen telepathischen Fähigkeiten dahintergekommen, daß wir ihn vorsichtshalber heimlich beobachten, und da ist ihm der Faden gerissen und er hat Lansky erledigt. Übrigens hat er obendrein auch noch den Sender entdeckt und zerstört, den wir in seinem Hosengürtel versteckt hatten. Er muß ihn zerstört haben, denn daß das Ding von selbst ausfällt, ist praktisch ausgeschlossen.“
Dr. Roloff wirkte jetzt ziemlich erschrocken. „Das heißt, Sie haben ihn verloren?“
„Momentan ja. Major Bergner vom MSD ist mit seinen Leuten zum Fundort unterwegs, um Lanskys Leiche in Sicherheit zu bringen. Anschließend machen sie sich auf die Suche nach Gablenz.“
Roloff fuhr sich erneut durchs Haar. „Hören Sie, Kettler: Ich will in dieser Sache so wenig Aufsehen wie möglich. Wir können momentan weiß Gott keine schlechte Presse brauchen. Halten Sie die örtliche Polizei und die Medien nach Möglichkeit außen vor und erledigen Sie das allein mit Ihren Leuten und dem MSD. Ziehen Sie Gablenz um Himmels willen aus dem Verkehr, so schnell es nur irgend geht!“
„Sollen wir ihn umlegen, oder wollen Sie ihn lebend?“ fragte Kettler ungerührt.
Dr. Roloff stöhnte. „Damit noch einmal so ein Schlamassel passiert wie bei Conrad? Nein, nein! Natürlich lebend!“
„Okay“, sagte Kettler. „Aber ohne großes Aufgebot an Bundeswehr und Bereitschaftspolizei kann es zwei, drei Tage dauern.
Weitere Kostenlose Bücher