Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
zum Beispiel durch diese mit Wasser gefüllte Röhre dort tauchen, oder mehrere elektrische Schalter betätigen.“
„Und wozu testen Sie die Intelligenz der Ratten?“ fragte Susanne und überlegte, wie sich wohl ein Mensch fühlen würde, wenn er sich, um seinen Hunger zu stillen, durch einen solchen Parcours quälen müßte.
Gablenz warf ihr einen schwer zu deutenden Blick zu. „Um festzustellen, ob die Gehirnleistung der Tiere durch ... die Verabreichung gewisser Substanzen gesteigert werden kann.“
„Das verstehe ich nicht ganz“, entgegnete Susanne. „Wieso beschäftigen Sie sich mit der Gehirnleistung von Tieren, wenn es bei Ihren Forschungsarbeiten um die Entwicklung eines neuen Antidepressivums geht?“
„Wenn die getesteten Substanzen die Gehirnleistung von Tieren steigern, wäre auch ein Einsatz beim Menschen denkbar, etwa bei Demenz-Patienten oder lernbehinderten Kindern“, sagte Gablenz. „Sie ließen sich aber auch ganz allgemein zur Steigerung der menschlichen Intelligenz einsetzen. Gewissermaßen als Nebeneffekt würden durch eine solche Leistungssteigerung des Gehirns Depressionen eliminiert.“
Susanne schüttelte ungläubig den Kopf. „Sozusagen eine Intelligenzpille für alle? Das wäre ja für die Pharmaindustrie ein Riesengeschäft!“
„Aber das ist natürlich noch Zukunftsmusik“, sagte Gablenz und hob abwehrend die Hände. „Kommen Sie, wir gehen in mein Arbeitszimmer.“
Sie folgte ihm in ein angrenzendes Büro, wo er die Deckenbeleuchtung einschaltete. Hier war es heller als in dem großen Raum mit den vielen Tierkäfigen. Das Büro war kühl und funktioneil eingerichtet, mit verschlossenen Aktenschränken aus Metall, einem nüchtern wie eine Werkbank aussehenden Schreibtisch und einem PC-Arbeitsplatz. Nur zwei Dinge in dieser sterilen Umgebung hatten einen persönlichen Charakter: An der Wand hing eine alte Jagdbüchse mit kunstvollen Gravuren auf Lauf und Schaft. Könnte glatt von Old Shatterhand stammen, dachte Susanne. Und daneben zog ein großes eingerahmtes Foto ihren Blick an. Es zeigte Gablenz, der, ein Gewehr in der Hand, in stolzer Pose den Fuß auf die Flanke eines erlegten Wolfes legte.
„Die Jagd ist wohl eine Leidenschaft von Ihnen?“ fragte Susanne.
Gablenz lächelte. „Nein. Ich schätze sie als intellektuelle Herausforderung. Ich unternehme Jagdreisen nach Kanada, Alaska und Sibirien in klimatisch extreme Gebiete. Dazu muß man nicht nur körperlich fit sein, sondern man muß auch sorgfältig planen. Dort zu jagen bedeutet über die Natur zu triumphieren und sich selbst zu beweisen, daß man auch unter extremen Bedingungen alles unter Kontrolle hat. Ich bin ein sehr rationaler Mensch, wissen Sie. Menschen mit Leidenschaften erscheinen mir primitiv. Starke Gefühlsreize und Emotionen sind Relikte unserer tierischen Vergangenheit. Die besondere Leistung der biologischen Evolution besteht darin, die Großhirnrinde hervorgebracht zu haben, wo Vernunft und Logik regieren. Der menschliche Intellekt kann nun ordnend in die zufallsbestimmten, chaotischen Systeme der Natur eingreifen. An der Schwelle zum einundzwanzigsten Jahrhundert tritt unsere Zivilisation in eine neue Phase ein: Wir werden die weitere Evolution auf diesem Planeten bewußt planen und rational lenken, und wir werden alles ausmerzen, was für Unordnung in der menschlichen Psyche sorgt und den Fortschritt gefährdet.“
Gablenz machte eine kurze Atempause, in die hinein Susanne rasch sagte: „Doktor, der Vater Michael Conrads vermutet, sein Sohn sei ermordet worden, und hat deswegen Anzeige erstattet. In dieser Sache habe ich zu ermitteln, wie Sie wissen. Ehrlich gesagt, begreife ich nicht ganz, was Ihre Ausführungen damit zu tun haben und was Ich hier in diesem Labor soll. Falls Sie mir nichts mehr zur Sache mitzuteilen haben, möchte ich jetzt gerne gehen.“ In Susannes Magen rumorten noch die gefolterten Schweine und epileptisch zuckenden Katzen. Die sterile, metallisch riechende Luft dort unten schien ihren Bronchien mehr zuzusetzen als Zigarettenrauch. Und was Gablenz zuletzt gesagt hatte, klang in Susannes Ohren überhaupt nicht fortschrittlich, sondern eher wie das Geschwätz eines der Gruft entstiegenen Rassenhygienikers aus Deutschlands blutiger Vergangenheit.
„Ich führe Sie durch unser Institut und gewähre Ihnen einen Einblick in unsere Arbeit“, entgegnete Gablenz, „damit Sie erkennen, daß jeder Verdacht, bei uns ginge etwas nicht mit rechten Dingen zu, vollkommen
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