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Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Titel: Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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ziemlich kapitales Problem handeln, so verstört wie Krossner geklungen hatte. Vermutlich war es wirklich am besten, wenn er sich sofort selbst darum kümmerte. Er steckte das Handy ein und stand auf.
    „Was ist los?“ fragte Thönnes.
    Lohmann zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Krossner hat irgendein Problem. Ich fahr mal kurz raus zu ihm.“
    Thönnes nickte. „Gut so“, sagte er. „Ärger auf der Baustelle bereinigt man am besten sofort.“

    Es waren vielleicht fünf Minuten vergangen, seit Krossner mit Lohmann telefoniert hatte. Der Fremde hatte Krossner das Handy aus der Hand gerissen und es weit weggeworfen, als handele es sich um ein wertloses Stück Holz. Krossner hatte hinterherlaufen und es aufheben wollen, doch die Wölfe hatten ihm knurrend den Weg versperrt. Nun saßen sie, von den Wölfen umzingelt und wachsam beobachtet, im Kreis, während der Fremde, etwas abseits auf einem umgedrehten, leeren Bierkasten hockend, scheinbar gedankenverloren ins Leere starrte. Trotzdem hatte Josef das unbehagliche Gefühl, daß ihm nichts entging, was um ihn herum geschah. Es herrschte eine unangenehme, bedrohliche Stille. Keiner der Arbeiter wagte etwas zu sagen oder sich zu bewegen, weil sonst der ihm am nächsten stehende Wolf sofort anfing zu knurren und die Zähne zu blecken. Krossner saß jetzt bei ihnen im Kreis. Mit den roten Kratzwunden im Gesicht sah er fast wie ein Indianer mit Kriegsbemalung aus, allerdings ein vom gegnerischen Stamm gefangener Indianer.
    In ein paar Minuten würde Freddy mit dem leeren zweiten LKW aus der Kiesgrube zurückkehren, wo der Aushub abgekippt wurde. Was dann? Würden die Wölfe die Schwänze einziehen und die Flucht ergreifen, wenn das vierachsige Ungetüm heranrumpelte? Normale Wölfe ja. Carlo saß immer noch auf dem Boden, mit blassem Gesicht. Seine Bißwunde muß verbunden werden, dachte Josef. Im Bauwagen ist Verbandszeug. Ob der Fremde es erlauben würde, daß wir ... In diesem Moment hob der Fremde den Kopf und schaute Josef mit diesem leeren und doch alles durchdringenden Blick an. Josef schloß rasch die Augen. „Hole es“, sagte er leise, fast unhörbar. Josef öffnete die Augen wieder, schluckte, räusperte sich. „Ich soll...“
    „Carlos Schulter verbinden“, beendete der Fremde den Satz.
    Josef hatte das Gefühl, es werde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Er las ihre Gedanken, was in ihren Köpfen vorging, war für ihn wie ein offenes Buch!
    „Hättest du auf deinen Gott gehört, dann wärst du jetzt nicht hier“, sagte der Fremde. Er hatte den Kopf gedreht und starrte wieder ins Leere, während er sprach. „Andererseits mag es für dich einen Sinn haben, daß du hier bist. Es ist gut, dort zu sein, wo es etwas zu lernen gibt.“ „Du klingst wie ein gottverdammter Pfarrer“, stieß Carlo zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Aus welchem Irrenasyl bist du bloß entsprungen?“
    „Wahnsinn ist eine Erfindung der Menschen“, sagte der Fremde, ohne Carlo anzusehen. „Die Wildnis kennt diese Krankheit nicht. Geh jetzt, Josef, die Wölfe werden dir nichts tun.“
    Josef stand langsam auf und erwartete schon, Knurren und Zähnefletschen zu hören. Doch es blieb still. Mit weichen Knien ging er langsam durch den Kreis der Arbeiter. Bei Krossner und Willi blieb er zögernd stehen. Zwischen ihm und dem Bauwagen waren fünf oder sechs Wölfe und schauten ihn an, ohne einen Laut von sich zu geben. Es war ein riesiges Rudel, insgesamt vierzehn Tiere. Er hatte sie gezählt. Josef gab sich einen Ruck und ging auf die Wölfe zu. Sie machten ihm tatsächlich Platz, ließen ihn passieren. Sie standen so dicht neben ihm, daß er sie hätte streicheln können - runde, wachsame gelbe Augen, schnüffelnde, glänzend schwarze Nasen, aufgestellte, nach vorne gerichtete Ohren. Gott muß sie geschickt haben, um mich zu strafen, dachte Josef. Gott hat diesen Mann geschickt, als Racheengel. Oder kommt er geradewegs aus der Hölle?
    Im Bauwagen lehnte er sich einen Augenblick zitternd gegen die Wand und schloß die Augen. Dann nahm er den Verbandskasten, zögerte einen Moment. Draußen stand ein Wolf und schaute zu ihm hoch. Vorsichtig stieg Josef die Stufen vor der Tür wieder hinunter. Der Wolf gab ein leises Winseln von sich und folgte ihm, ließ ihn aber in Ruhe.
    Josef kehrte in den Kreis der anderen zurück. Neben Carlo niederkniend, öffnete er den Verbandskasten. Er half Carlo das blutgetränkte Hemd abzustreifen. Die Wunde blutete kaum noch, sah

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