Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
Du wirst sehen, Roland ist viel netter als es dir nach eurer Begegnung beim Frühstück scheint. Und Onkel Harald wird dir gefallen.«
Susanne hatte sich den Luxus gegönnt, einmal länger liegen zu bleiben. Zumal die Nacht unruhig gewesen war. Sie hatte nicht durchschlafen können, war mehrfach aufgewacht. Morgens hatte sie nie viel Appetit. Gegen zehn Uhr saß sie in der Küche, kaute lustlos auf einem Croissant herum und trank dazu schwarzen Kaffee, als Tönsdorf anrief. »Ich dachte, ich geb dir mal die aktuellen Neuigkeiten durch, egal, ob's dem Alten recht ist oder nicht. Rate mal, wen ich jetzt festnehmen werde.« Er machte eine effektvolle Pause Als Susanne nichts sagte, fügte er hinzu: »Hatheyer.«
»Moment, die Staatsanwaltschaft hat... «
»Herkenrath, um genau zu sein. Heute Morgen gab's einen Termin in der Domprobstei. Mit dem ganzen Kapitel. Außerdem war noch der Generalvikar dabei, als Vertreter des Erzbischofs. Unsererseits waren's die Herren Herkenrath, Antweiler und Heepenstrick. Ich durfte draußen warten. Was genau verhackstückt wurde, haben sie mir nicht gesagt, aber Herkenrath meinte, die Indizien reichten für einen Haftbefehl. Die guten Domkapitulare haben uns den Hatheyer als Täter serviert für den Mord an Oster. Und alles soll unter dem Mantel größter Verschwiegenheit ablaufen, um dem Ansehen des Doms nicht zu schaden.«
»Was ist mit dem Mord an Schwester Hildegardis, wird ihm der auch angehängt?«
Tönsdorf schnaubte verächtlich. »Herkenrath meinte, für den wären wir nicht zuständig. Wir hätten ausschließlich den Propstmord aufzuklären. Und dabei sprächen alle Indizien gegen Hatheyer. Na, deshalb fahre ich jetzt hin und kassiere ihn.«
Susanne massierte ihren Magen. Ich sollte weniger schwarzen Kaffee trinken, dachte sie. »Ist ... irgendwas erwähnt worden von einer Geheimen Zunft oder einem Geheimen Buch?«
»Wenn irgendwas Geheimes zwischen den Herren besprochen wurde, ist es jedenfalls nicht aus dem Besprechungszimmer der ehrenwerten Domkapitulare nach außen gedrungen. Hör zu, ich muss los. Wollte dich nur schnell informieren. Hoffentlich kommst du bald zurück. Wenn ich mit dir arbeite, erinnere ich mich wieder daran, wieso ich mal Polizist geworden bin. Bei Heepenstrick hat man das Gefühl, man sitzt auf dem Friedhofsamt.«
Tönsdorf schnippte den Zigarettenstummel in die Gosse und betrat das Priesterseminar. Er vermisste Susanne, an die er sich in den letzten Tagen richtig gewöhnt hatte, auch wenn sie gelegentlich ausflippte, wenn er wieder einmal zu viel redete. Es machte ihm Spaß, mit ihr zu arbeiten. Er fühlte sich zehn Jahre jünger.
Er hielt dem Pförtner seinen Dienstausweis unter die Nase.
»Herr Hatheyer müsste in seiner Wohnung sein. Ich habe ihn heute Morgen noch nicht gesehen. Im Seminar wurde schon vermutet, dass er vielleicht krank ist. Soll ich oben anrufen und ihn herunterbitten?«
»Nein, nicht nötig«, sagte Tönsdorf und stieg, wegen seines dicken Bauches etwas mühsam, die Treppen hoch. Nummer drei, hatte der Pförtner gesagt, und da hing auch das entsprechende Namensschild. Er klopfte an die Tür.
»Herr Hatheyer? Polizei. Machen Sie auf!«
Nichts. Er musste wieder hinunter zum Pförtner, mit ihm ein zweites Mal hinaufsteigen.
Der Pförtner schloss auf und Tönsdorf schaute sich im unaufgeräumten Wohnzimmer voller Bücherstapel um. Niemand da.
Die Tür nach nebenan war nur angelehnt. Tönsdorf öffnete sie vorsichtig. Und verzog das Gesicht. »Gottverdammte Scheiße«, ächzte er.
Hatheyer lag auf dem Bett. Nackt, seine Haut sehr weiß. Die Adern in der Leistenbeuge waren aufgeschnitten, das Bettzeug von Blut durchtränkt. Seine blutbeschmierte rechte Hand umklammerte ein großes Foto. Tönsdorf drehte es vorsichtig herum. Hatheyer und Oster in liebevoller Umarmung.
Mit zitternden Fingern zündete sich Tönsdorf eine Zigarette an, dann zog er sein Handy aus der Tasche. »Fassen Sie hier nichts an!«, sagte er mit der Zigarette im Mundwinkel zu dem Pförtner, der mit weit aufgerissenen Augen in der Tür stand.
»Warum wolltest du denn, dass wir uns trotzdem hier treffen?«, fragte Chris.
Sie standen vor dem Hauptportal des Doms, und Susanne hatte ihr gerade von Hatheyers Festnahme erzählt.
»Ich dachte mir, wir können ein bisschen am Dom herumschnüffeln. Vielleicht finden wir ja irgendwelche neuen Anhaltspunkte«, antwortete Susanne.
Chris hatte Heike versprechen müssen, Susanne auf jeden Fall zum Essen
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