Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
Keller.«
Wenn es für Barnstett etwas noch Unbegreiflicheres gab als das, was er vor wenigen Minuten dort unten in dem geheimnisvollen Gewölbe gesehen hatte, dann war es die Reaktion seiner Vorgesetzten. Der Amtsleiter hatte sich seinen Bericht am Telefon angehört und lediglich gesagt: »In derartigen Fällen hat man mir nahe gelegt Oberregierungsrat Rolleplatz hinzuzuziehen. Ich schlage vor, Sie wenden sich gleich an ihn.«
Rolleplatz saß bei der Bezirksregierung sehr weit oben. Barnstett erzählte die unglaubliche Geschichte von der geheimnisvollen unterirdischen Konstruktion und Schwedts schrecklichem Tod ein zweites Mal.
Rolleplatz schwieg kurz, räusperte sich und sagte: »Ich bin von der Kölnischen Braunkohle AG bereits darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass man beim Abriss des Klosters vermutlich auf ... ein geheimes Gewölbe stoßen würde, dessen Bau im dreizehnten Jahrhundert von Konrad von Hochstaden veranlasst wurde. Offenbar existieren darüber Aufzeichnungen, die sich teils im Privatbesitz namhafter Kölner Familien befinden, teils im Erzbischöflichen Archiv verwahrt werden. Aus diesen Aufzeichnungen geht zweifelsfrei hervor, dass dieses Gewölbe nichts enthält, was aus denkmalpflegerischer Sicht erhaltenswert wäre. Seitens unserer Behörde gibt es daher gegen die Sprengung keinerlei Einwände.«
Barnstett suchte nach Worten, mit denen er Rolleplatz klar machen konnte, wie erstaunlich seine Entdeckung war. Die Anlage dort unten musste von einem Team aus Historikern, Physikern und Ingenieuren sorgfältig untersucht werden. An eine Sprengung war in den nächsten Wochen überhaupt nicht zu denken! Genau das sagte er Rolleplatz. Dessen Antwort kam sofort, und zwar in schneidendem Tonfall. »Herr Barnstett, ich habe Ihnen soeben eine unmissverständliche Anweisung erteilt. Ich muss Sie wohl nicht erinnern, dass die Braunkohle AG im Bereich Bergheim und Jülich der größte Arbeitgeber ist. Der Abbau in Bischofsweiler ist seit Jahren genehmigt und politisch abgesegnet. Ich ordne hiermit an, dass Sie das Gewölbe auf der Stelle zur Sprengung freigeben!«
Rolleplatz legte auf. Ich werde mich weigern, dachte Barnstett, wusste aber im selben Moment, dass er das nicht tun würde. Er hatte keine Lust in irgendein langweiliges Schreibbüro strafversetzt zu werden. Resigniert ließ er die Schultern hängen. Vielleicht ist es ja besser so, dachte er.
Die Glosowski schaute ihn mit hoch erhobenen Augenbrauen an. »Und?«, fragte sie ungeduldig.
»Wenn es nach mir ginge, würde ich eine gründliche Untersuchung des Gewölbes anordnen. Aber ... « »Was immer dort unten ist, es hat meinen Stellvertreter das Leben gekostet.« Die Stimme der Ingenieurin bebte vor unterdrückter Wut. »Ich halte es für das Beste, wenn wir es von der Erdoberfläche tilgen.«
Koch wirkte immer noch sehr blass und mitgenommen. »Vielleicht bleiben manche Dinge besser unentdeckt und unerforscht«, sagte er leise.
»Wie lange brauchen Sie für die Vorbereitung?« »Zwei bis drei Stunden. Wir müssen tiefe Sprenglöcher bohren und werden sehr viel Sprengstoff benötigen. Und wir müssen das Gelände im Umkreis von zwei Kilometern abriegeln - wegen der Wucht der Explosion.«
Barnstett blickte unsicher zu der Kirchenruine hinüber. Wenn er ehrlich war, verspürte er kein Verlangen noch einmal hinunterzusteigen. »In Ordnung«, seufzte er. »Ich gebe das Gewölbe zur Sprengung frei.« Aber, dachte er, ich werde den Rest meines Lebens darüber nachgrübeln, was ich dort unten gesehen habe.
Susanne hatte fieberhaft überlegt, ob sie ohne Waffe eine Chance hatte die beiden zu überlisten, aber es wäre zu gefährlich gewesen, nicht nur für sie selbst, sondern auch für Roland.
Sie mussten vor Terwegen, der ihnen mit der Waffe in der Hand folgte, in den Keller gehen. Ermekeil ging als Letzter. Während Ermekeil schwieg, redete Terwegen ununterbrochen, vielleicht um die Stimme seines schlechten Gewissens zu übertönen. »Niemand hat sich mehr für das Leyliniennetz interessiert. In den Zwanzigerjahren, als mit der Ausbeutung der Braunkohle im Bereich Hambach begonnen wurde, kauften dein Großvater Carl und die Oberhäupter der anderen alten Familien das Land um Bischofsweiler, um sicherzustellen, dass dort nie Braunkohle gefördert werden würde. Doch in der nächsten Generation wollte keiner mehr etwas von dieser ursprünglichen Absicht wissen. Die hoch subventionierte Förderung der Kohle versprach ein gutes Geschäft und das
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