Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
das schon, anständige, alteingesessene Familie? Wenn du mich fragst, sind die Vandenbergs so eine Sippe, die überall ihre Finger drin hat ... Ja, zugegeben, Hausbesetzung ist ungesetzlich ... Nein, so schlampig und gammelig waren die jungen Leute da gar nicht. Die haben wirklich was aus dem alten Kasten gemacht. Und der Bioladen war sehr ordentlich geführt. Das sagt jedenfalls meine Tochter. Die hat immer da eingekauft. Ich selber halte ja nicht viel von diesem Biozeug, aber . . . » Das Gespräch wandte sich nun dem zu, was die Tochter der Sekretärin beim Kochen und in der Kindererziehung nach Auffassung ihrer Mutter alles falsch machte.
Susanne hörte nicht länger hin. Die Mutmaßung, Vandenberg, dem die ganze Häuserzeile gehörte, habe bei dem Einsturz seine Finger im Spiel gehabt, war bereits von dem Lokalreporter geäußert worden, der im Radio von der Unglücksstelle berichtet hatte. Die Vandenbergs waren alter Kölner Bürgeradel, sehr einflussreich. Ihnen gehörte zwar nicht gerade die halbe, aber doch mindestens ein Viertel der Stadt. Susanne hielt es für unwahrscheinlich, dass solche Leute so dumm waren sich durch einen absichtlich herbeigeführten Hauseinsturz die Finger schmutzig zu machen. Zumal sie das Haus doch jederzeit ganz legal hätten polizeilich räumen lassen können.
Von den Bewohnern hatten nur eine junge Frau und ihr kleiner Sohn überlebt. Susanne schauderte bei dem Gedanken, was für ein schrecklicher Tod es sein mochte, unter Trümmern begraben zu werden.
Ein junger Mann kam aus dem Büro des Dechanten. Er war zierlich, dunkelhaarig, mit großen, schönen, etwas entrückt wirkenden Augen. Hübsch, dachte Susanne, aber in seinen Bewegungen zu weich, zu feminin. Er schien nervlich arg mitgenommen, bleich, dunkle Ränder unter den Augen. Seine zarte rechte Hand spielte zittrig und fahrig mit einem Rosenkranz, die andere steckte in der Hosentasche seines schwarzen Anzugs. Susanne fiel auf, dass an seiner Unterlippe ein kleines Pflaster klebte.
»Die Frau Kommissarin möchte gleich hereinkommen«, sagte er mit dünner Stimme zu der Sekretärin. »Würden Sie für mich im Generalvikariat Bescheid sagen? Ich gehe heute nicht zu der Besprechung. Ich fühle mich nicht wohl und möchte mich etwas hinlegen.«
»Natürlich«, sagte die Sekretärin. »Ruhen Sie sich ein wenig aus. Ich kann verstehen, was das für ein Schock für Sie gewesen sein muss.«
Als der junge Mann zur Tür hinaus war, fragte Susanne: »Ein Mitarbeiter des Dompropstes?«
Die Sekretärin sagte mit wichtiger Miene: »Martin Hatheyer war ein enger Vertrauter von Weihbischof Oster, müssen Sie wissen.« Ihr schiefer Blick und die Art, wie sie den Satz betonte, weckten Susannes Interesse. Sie wollte nachfragen, doch Scharenbroich stand plötzlich in der Tür seines Büros und warf der Sekretärin einen strafenden Blick zu. Sie senkte den Kopf und raschelte sichtlich verlegen mit den Papieren auf ihrem Tisch. Susanne nahm sich vor, diesen Martin später genauer unter die Lupe zu nehmen.
Scharenbroichs Büro war nüchtern, aber hochwertig eingerichtet. Ein moderner Schreibtisch mit Glasplatte, schwarze Ledermöbel, der heutzutage unvermeidliche Computer, an der Wand ein schlichtes Holzkreuz und ein Foto von Johannes Paul II., das den Papst in seinen besseren Tagen zeigte. Der Dechant bot ihr einen Platz an und fragte, ob sie noch einen Kaffee wolle, was Susanne dankend ablehnte.
»Ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht«, stöhnte Scharenbroich. »Dieser schreckliche Todesfall. Und dann haben die beiden Domschweizer, die letzte Nacht Dienst hatten, auch noch eine sonderbare Erschütterung bemerkt, so etwas wie einen kurzen Erdstoß. Unsere neue Dombaumeisterin hat heute Morgen schon ganz früh mit den Ingenieuren der Dombauhütte einen Rundgang gemacht, aber gottlob keine Schäden festgestellt.«
Unbehaglich dachte Susanne an das sonderbare Erlebnis mit Chris und Karla auf der Domplatte. Ob da ein Zusammenhang bestand?
Scharenbroich seufzte. »Da Sie mich vermutlich sowieso danach fragen werden, sage ich Ihnen besser gleich, wer der junge Mann eben war: Dr. Martin Hatheyer, ein wirklich begabter junger Theologe, der hier am Priesterseminar unterrichtet.«
»Und er und Weihbischof Oster standen sich nahe?« Der Dechant betrachtete seine gefaltet auf der Tischplatte liegenden Hände. »Unser Dompropst war von Martins Fähigkeiten sehr angetan und hat ihn nach Kräften gefördert. Er war sein Mentor, und gewiss auch
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