Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
Tagen. Die Bäume sahen heute wie Skelette aus und spendeten keinen Trost.
Die »Vandenberg - Kölnische Hochbau KG« residierte in einem altehrwürdigen, aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Geschäftshaus am Gereonswall, dessen prächtig gestaltete Fassade vom Reichtum dieses Kölner Bürgerclans zeugte. Wie es heute um diesen Reichtum bestellt war, wusste Susanne nicht, aber das Haus wirkte sehr gepflegt und gut erhalten.
Ehe Susanne aus dem Wagen stieg, zögerte sie einen Moment und dachte nach. Sie war ohne Rücksprache mit Antweiler hierher gefahren. Dass sie bei Vandenberg auftauchte und ihm dumme Fragen stellte, war wohl nicht gerade das, was sich Oberstaatsanwalt Herkenrath unter einer kleinen, unauffälligen, inoffiziellen Informationsbeschaffung vorstellte. Andererseits hatte Herkenrath ausdrücklich darum gebeten, dass sie die Sache übernahm, und Antweiler hatte ihm das offensichtlich nicht ausgeredet. Sie lächelte grimmig. Herkenrath musste wissen, worauf er sich einließ, wenn er Susanne Wendland einen solchen Fall anvertraute. Dazu war er schließlich lange genug bei der Kölner Staatsanwaltschaft. Das Bild der wie eine Mumie einbandagierten jungen Frau, die noch nicht wusste, dass ihr kleiner Sohn tot war, ging Susanne nicht aus dem Kopf. Ich bin jetzt persönlich an diesem Fall interessiert, dachte sie, ich muss mir einen Eindruck verschaffen, was dieser Roland Vandenberg junior für einer ist. Entschlossen stieg sie aus dem Wagen und ging auf das von zwei steinernen Löwen bewachte und mit einem alten Familienwappen verzierte Säulenportal des Hauses zu. Einen Moment betrachtete Susanne das Wappen. Es stammte offenbar aus dem Mittelalter und wirkte sehr kunstvoll. Um einen goldenen Schlüssel in der Mitte waren drei Symbole angeordnet: ein Buch, ein blauer Kreis und eine Art Stock oder Stab, dessen Bedeutung, ebenso wie die des Kreissymbols Susanne nicht zu deuten wusste. Die vandenbergschen Büros lagen im ersten Stock - hohe, holzgetäfelte Räume, in denen dunkle Möbel standen. Susanne glaubte fast, alte mechanische Schreibmaschinen klappern und alte Wählscheibentelefone kungeln zu hören. Doch die hellen Plastikgehäuse der Computer und Drucker, die Pieps- und Summtöne der modernen Elektronik zerstörten die Illusion. Eine Sekretärin führte sie zu Vandenbergs Vorzimmer. Seine Vorzimmerdame war weißhaarig und schien so alt zu sein wie der schwere Schreibtisch, an dem sie saß. Falls es eine Sprechanlage gab, benutzte sie sie nicht, stand auf, ging gemessenen Schrittes zu einer getäfelten Tür, an die sie wohl eher pro forma anklopfte, da man dieses Klopfen drinnen wohl kaum hören konnte. Sie steckte den Kopf in das Büro und kündigte eine »Frau Kommissarin von der Kripo« an.
»Okay«, sagte drinnen eine leise Stimme.
In dem Büro fühlte sich Susanne endgültig ins neunzehnte Jahrhundert versetzt. Offenbar hatte hier bereits Roland Vandenbergs Urgroßvater residiert. Zwei Wände waren mit einer Galerie alter Schwarzweißfotos geschmückt. Darauf sah man Gebäude, die wohl von den Vandenbergs in und um Köln errichtet worden waren: Respekt einflößende Geschäftshäuser, herrschaftliche Villen und, zu Susannes Überraschung, auch einige Kirchen. Hinter dem mächtigen Schreibtisch hing hinter Glas eine große Konstruktionszeichnung, die Susanne nicht sofort identifizieren konnte, bis ihr klar wurde, dass es sich um einen gewaltigen Braunkohlebagger handelte. Im Braunkohletagebau hatte die Familie Vandenberg also offenbar auch ihre Finger drin.
Der jetzige Hausherr saß nicht hinter dem Schreibtisch, wie Susanne erwartet hatte, sondern auf der Fensterbank und schaute durch das weit geöffnete Fenster hinunter auf den über den Gereonswall strömenden Verkehr. Es war ziemlich kalt in dem Büro.
Jetzt schloss er das Fenster, sagte in lockerem Tonfall: »Hallo«, kam auf Susanne zu und gab ihr die Hand. Es überraschte sie, wie jung er war. Sie hatte einen Mann mindestens in den Vierzigern erwartet, doch nun schätzte sie Roland Vandenberg auf höchstens dreißig oder einunddreißig, jünger als sie selbst mit ihren vierunddreißig. Sein Lächeln hatte etwas Jungenhaftes. Statt des in diesem Ambiente zu erwartenden schwarzen Anzugs trug er Jeans, ein schlichtes, aber gewiss nicht billiges hellbraunes Sakko und unterhalb des offenen Hemdkragens einen Wollpullover mit Cardiganmuster. Susanne fiel ein, dass er ja Bauunternehmer war und daher wohl ein Outfit brauchte, das auch zu
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