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Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Titel: Wendland & Adrian 02 - Die Krypta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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schrie laut auf und ließ los und Karla entglitt nun auch dem anderen. Sie verlor das Gleichgewicht und kippte nach hinten, sah für Sekundenbruchteile das Gewölbedach des Doms sich über ihr auftun wie einen künstlichen Himmel, dann überschlug sie sich zweimal und prallte am Fuß der Treppe dumpf mit dem Kopf auf die Steine. Ein stechender Schmerz durchzuckte Karlas Schädel, und ihre Gedanken zerbrachen.
    Susanne war mit langen, raschen Schritten die Hohe Straße hinuntergeeilt, mehr laufend als gehend. Als sie außer Atem vor dem Dom stand, zögerte sie einen Moment. Sie mochte ihn nicht, diesen gewaltigen Steinkoloss, hatte seit Jahren nicht mehr den Fuß über seine Schwelle gesetzt. Sie fragte sich, wie viele Wohnungen man wohl aus seinen Steinen hätte bauen können, und wie viele Menschen wohl während der Jahrhunderte des Dombaus in den Kölner Armenvierteln dahinvegetiert hatten oder elendig verhungert waren.
    Jetzt ging sie durch die Drehtür im rechten Portal und empfand die düstere Kühle im Inneren der Kirche sofort als unangenehm. Mir kommt er wie ein Mausoleum vor, dachte sie, ein gigantischer Sarg. Ich kann nicht begreifen, dass viele Menschen sich gern hier drinnen aufhalten. Sie schaute sich um, konnte Karla nirgendwo entdecken. Vielleicht hatte Tönsdorf sich geirrt und die kleine heimatlose Frau irrte irgendwo in Nippes herum.
    Als Susanne langsam zwischen den mächtigen Säulen nach vorn ging, sah sie plötzlich, dass sich rechts vor dem Chorumgang ein kleiner Menschenauflauf zusammendrängte. Erst glaubte sie, es handele sich um eine Führung. Doch die Stimme einer der Domführerinnen war nicht zu hören. Es herrschte Stille im Dom.
    Die Leute standen um die Treppe herum, die, wie Susanne aus ihrer Jugend wusste, als ihr Vater sie des Öfteren in den Dom geschleift hatte, hinunter zur Bischofskrypta führte.
    »Was ist da los?«, fragte sie.
    »Eine Frau hat laut geschrien und ist die Treppe runtergefallen«, sagte jemand.
    Susanne drängte sich zwischen den Leuten durch. Am Fuß der Treppe lag Karla, mit starren Augen. Ihr Kopf war von einer kleinen Blutlache umgeben, die offenbar von einer Platzwunde herrührte. Neben ihr an der Wand lehnte ein weißhaariger Domschweizer mit kreidebleichem Gesicht. Auf der linken Wange hatte er einen langen, blutenden Kratzer. Susanne ging langsam die Stufen hinunter.
    »Sind Sie die Ärztin? Dat jing aber schnell«, sagte der Domschweizer mit dünner Stimme.
    »Ich bin von der Kripo.« Susanne hielt ihm ihren Ausweis hin.
    »Dat war en Unfall«, sagte er schnell. »Bestimmt.«
    »Wie ist es denn passiert?«, fragte Susanne.
    »Sie hat am Jitter jerüttelt und jeschrien. Die war total verrückt. Mir mussten doch wat unternehmen ... mir wollten se nach draußen schaffen. Aber se hat sich jewehrt. Hat sich losjerissen un is die Trepp' runterjefallen ... der Kollege is zum Telefon, ene Arzt rufe.«
    Er schaute zu Karlas starren Augen hinunter. »Aber da is wohl nix mehr zu mache.«
    Susanne hatte nicht den Eindruck, dass der alte Mann sie anlog. Sie ging in die Hocke und schloss mit einer sanften, streichelnden Bewegung Karlas Lider.
    Karlas Gesicht war noch warm, als schliefe sie nur, aber an ihrem Hals ließ sich kein Puls mehr fühlen.
    »Was ist?«, sagte Susanne laut zu den Leuten oben über der Treppe, so dass ihre Stimme durch die Kirche hallte. »Was glotzen Sie so? Machen Sie, dass Sie weiterkommen!«
    Sie richtete sich langsam wieder auf. »Haben Sie eine Zigarette?«, fragte sie den Domschweizer. Er griff in die Tasche seines langen roten Mantels, wegen dem die Schweizer von ahnungslosen Touristen häufig für Bischöfe gehalten wurden, und hielt ihr eine Packung hin. »Hier drin is Rauchen nit erlaubt«, sagte er. »Da müssen Se no drauße jon.«
    Sie zog eine filterlose Zigarette heraus, hielt sie einen Augenblick zögernd in der Hand, dann gab sie sie dem alten Mann zurück. »Nein«, sagte sie leise. »Ich rauche nicht mehr.«
    »Is auch besser«, sagte er. »Ich komm nit davon loss. Und wat glauben Se, wat ich immer huste!«
    Seinen eigenen Hinweis ignorierend zündete er sich die Zigarette mit zitternden Fingern an und blies Rauch aus.
    »Sie sagen, sie hat am Gitter gerüttelt und geschrien? Was wollte sie denn dort drinnen?«
    »Keine Ahnung«, sagte der Domschweizer. »Da liegen doch bloß, en paar tote Bischof. Wegen denen so ene Aufstand zu mache ... «
    Susanne zog ihr Handy aus der Tasche und benachrichtigte Tönsdorf, dass die

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