Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
Grundstein für den Dom im Jahre 1248 durch den Erzbischof Konrad von Hochstaden gelegt, einen Mann, der, wie es zu seiner Zeit üblich war, das christliche Gebot >Du sollst nicht töten< recht großzügig auslegte.«
»Sie meinen, dieser Konrad hatte viele Leute auf dem Gewissen?«
»Ziemlich viele. Anders kam man im Mittelalter gemeinhin nicht zu Amt und Würden. Nun ...«, Evertz machte eine bedeutungsvolle Pause, »... weitaus weniger Leute wissen, dass Konrad im selben Jahr auch den Bau des Klosters in Bischofsweiler in Angriff nehmen ließ. Ein überaus rätselhafter Vorgang ...«
»Was war daran rätselhaft?«, fragte Susanne.
»Um das begreifen zu können, muss man etwas vom Mittelalter verstehen. Das Land, auf dem das Kloster gebaut wurde, gehörte damals dem Grafen Wilhelm von Jülich, zu dem Konrad nicht gerade in freundschaftlichem Verhältnis stand. Zwar sind darüber keine Urkunden erhalten, man kann aber davon ausgehen, dass der Erwerb dieses Landes Konrad eine Menge Geld gekostet haben muss. Warum also hat er ausgerechnet dort ein Kloster gestiftet, obwohl er doch selbst über genügend Ländereien verfügte, wo er weitaus billiger eines hätte bauen können? Warum gerade an diesem Ort?«
Evertz machte eine seiner rhetorischen Pausen. Susanne schwieg in der Hoffnung, dass ihn das eher aus der Reserve lockte als eine Zwischenfrage. »Nach allem, was wir über Konrad wissen, war er skrupellos, aber nicht dumm. Er muss einen guten Grund dafür gehabt haben, dieses Kloster dort bauen zu lassen, neben einem Dorf, das dann bezeichnenderweise den Namen Bischofsweiler erhielt.«
Susanne schaute ihn fragend an. Sein Blick war kühl, das Gesicht eine faltige Maske.
»Es haben sich im Lauf der Jahre etliche Historiker mit dieser Frage beschäftigt, doch das Quellenmaterial gibt praktisch nichts darüber her.« Er zuckte die Achseln. »Das wird wohl für immer ein ungelöstes historisches Rätsel bleiben, auch wenn es natürlich für die Weltgeschichte gewiss keine große Bedeutung hat. Nun, immerhin verdankt der Nonnenkonvent von Bischofsweiler Konrad seine Existenz. Die Nonnen werde ihm zweifelsohne ewig dankbar sein.«
»Schwester Hildegardis' Stellvertreterin muss aber etwas darüber wissen«, sagte Susanne. »Immerhin hat sie auf diese historische Verbindung hingewiesen.«
»Die einzige erkennbare historische Verbindung«, entgegnete Evertz, »besteht darin, dass Konrad von Hochstaden nun einmal, warum auch immer, den Grundstein für Dom und Kloster legte. Aber ich sehe Ihnen an, dass Sie sich damit nicht zufrieden geben. Fragen Sie doch diese Schwester Elisabeth, oder den guten Dechanten Scharenbroich, der jetzt Osters Nachfolger wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass in den erzbischöflichen Archiven eine Menge alter Geheimnisse lagern, die wir Normalsterblichen niemals zu Gesicht bekommen werden.«
»Könnten denn diese alten Geheimnisse so wertvoll sein, dass jemand heute dafür bereit ist zwei Morde zu begehen?«, fragte Susanne.
»Die Geschichte ist voll von Morden, die wegen irgendwelcher tatsächlich oder vermeintlich wertvollen Geheimnisse verübt wurden«, sagte Evertz mit gleichgültiger Stimme.
Er schaute auf die Uhr. »So! Sind Sie jetzt schlauer als vorher ? Ich muss mich wieder meinem Artikel widmen.«
Susannes Handy piepste. Sie meldete sich.
»Tönsdorf hier. Hör zu: Karla ist ausgebüxt. Remmer hat mir erst Bescheid gegeben, als ich schon fast an der Zuflucht war. Ich denke, wir wissen beide, wohin sie vermutlich unterwegs ist - zum Dom.«
Der Dom übte eine enorme Faszination auf Karla aus. Es war sehr gut möglich, dass Tönsdorf Recht hatte. »Ich hänge im Berufsverkehr fest. Karla ist vor einer knappen halben Stunde verschwunden. Wenn sie zügig drauflos spaziert ist, dürfte sie schon bald dort sein. Natürlich könnte ich eine der Funkstreifen hinschicken, die gerade näher am Dom ist, aber ich denke, es ist besser, wenn wir uns selbst um Karla kümmern.«
»Okay«, sagte Susanne, »von hier zum Dom brauche ich nur zehn Minuten, wenn ich mich beeile. Ich mache mich gleich auf den Weg.«
Sie bedankte sich bei Evertz, der aber nur verächtlich abwinkte, dann eilte sie draußen das kahle, nüchterne Treppenhaus hinunter. Warum nur zog es Karla immer wieder zum Dom? Falls Tönsdorf mit seiner Vermutung richtig lag, dass sie dorthin unterwegs war.
Evertz war hinter Susanne hergerollt, hatte die beiden Schlösser wieder zugesperrt und die Ketten eingehängt. Er fuhr
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