Wendland & Adrian 03 - Nachtauge
sollten Ihre Jungs zu mir schicken. Ich würde denen schnell Disziplin beibringen.«
Becker warf ihm einen müden Seitenblick zu. »Disziplin?« Er grinste schief. »Wir sind schon ganz zufrieden, wenn sie pünktlich zum Dienst erscheinen und übers Wochenende nicht vergessen haben, wo bei einem Gewehr vorne und hinten ist. Aber mir ist das alles sowieso egal. Ich habe mich in den Innendienst versetzen lassen. Ab nächstem Monat. Meiner Frau zuliebe. Die vielen Wechseldienste sind schlecht fürs Familienleben.«
Krupka schüttelte ungläubig den Kopf. »Innendienst? In Ihrem Alter? So was!« Sein Respekt für Becker sank in tiefste Tiefen.
Auf der Aussichtsplattform neben der Technikzentrale blieb Krupka wie stets einen Moment stehen und ließ den Blick über sein Reich schweifen.
»Ein imposanter Anblick, das muss ich zugeben«, sagte Becker. »Besonders jetzt mit den vielen Lichtern.«
Krupka nickte. Dafür wenigstens hatte diese Schlafmütze einen Sinn. Die Raffinerie war schön. Ein Wunderwerk der Ingenieurskunst. Die bizarre Störung des Betriebes machte ihn wütend, er empfand sie geradezu als persönliche Beleidigung. Schließlich war er für die Sicherheit verantwortlich. Und nun sah er sich mit einer völlig unkalkulierbaren Bedrohung konfrontiert. Wenn die Raubkatze sich noch auf dem Gelände befand. Er machte sich keine Illusionen darüber, dass es hier mehr als genug Versteckmöglichkeiten gab. Um jeden Winkel zu durchkämmen, hätten sie am Nachmittag nicht hundert, sondern tausend Polizisten gebraucht. Zumal diese Hundertschaft ja nicht nur die Raffinerie selbst, sondern auch noch die Umgebung abgesucht hatte.
»Sie hat hier nichts verloren«, sagte er gereizt.
»Bitte? Wer?« Becker schien ganz vom Anblick der riesigen Anlage gefangen zu sein.
»Die Raubkatze. Ich begreife einfach nicht, wie sie sich hierher verirren konnte. Angenommen, sie ist irgendwo abgehauen – wieso taucht sie dann ausgerechnet bei uns in der Raffinerie auf? Das ist nun wirklich kein Ort, den ich aufsuchen würde, wenn ich ein wildes Tier wäre.« Was für eine blöde Bemerkung, dachte er sofort. Er beneidete Menschen wie den Chef, die aus dem Stegreif geschliffen formulieren konnten.
Becker verzog keine Miene. »Sie ist aufgetaucht, nicht wahr? Und hat einen Hund und einen Ihrer Männer getötet. Das ist Fakt.« Zu weitergehenden Spekulationen war sein Beamtengehirn offensichtlich nicht bereit.
»Kommen Sie«, sagte Krupka. »Wir fahren mit dem Wagen hinüber zur Claus-Anlage. Ich will mich dort noch mal umsehen.«
Becker macht kein sehr begeistertes Gesicht, erhob aber keine Einwände. »Schießen werden Sie ja wohl können, wenn es brenzlig wird?«, fragte Krupka.
»Beim Schießtraining schneide ich immer ziemlich gut ab«, sagte Becker und fügte dann schroff hinzu: »Keine Sorge, von meinem Job verstehe ich etwas, Herr Krupka!«
Auf dem gut beleuchteten Parkplatz hinter dem Verwaltungsgebäude steuerte eine Gestalt zielstrebig auf sie zu. Voller Unbehagen erkannte Krupka, um wen es sich handelte: Vera Honnefeld, die Betriebsschichtleiterin der Nachtschicht. Die Honnefeld stellte ein Novum dar. Die erste Betriebsschichtleiterin einer deutschen Raffinerie. Krupka missfiel das sehr. Das war kein Job für eine Frau. Die Honnefeld, eine kleine, untersetzte, energische Frau in seinem Alter, schaute ihn, wie er fand, ziemlich herausfordernd an.
»Gut, dass ich Sie treffe, Herr Krupka. Ich habe den Eindruck, dass man mich unzureichend informiert.«
Seine Chefin war die Honnefeld nicht. Sie war ausschließlich für die Produktion zuständig. Der Werkschutz unterstand unmittelbar der Direktion.
Trotzdem musste er sich vorsehen. Er hatte den Eindruck, dass sie ihn nicht mochte und es darauf anlegte, ihm Ärger zu machen. »Das fällt nicht in meine Zuständigkeit. Das wissen Sie.«
»Immerhin war es jemand von Ihren Leuten, der ... tödlich verunglückt ist.«
Er mochte ihre ganze Art nicht. Sie machte ihn aggressiv. Aber er bemühte sich seine Stimme ruhig und sachlich klingen zu lassen. »Sie bekommen alle Informationen, die Sie benötigen, von der Direktion. Ich bin nicht befugt Ihnen Auskünfte zu erteilen.«
»Was soll denn diese Geheimniskrämerei? Immerhin bin ich für die Sicherheit von über sechshundert Mitarbeitern verantwortlich. Da sollte man mich doch wohl umfassend informieren.« Sie deutete mit dem Kopf auf Becker. »Warum ist die Polizei noch auf dem Gelände?«
Krupka straffte sich und schob das
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