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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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warum eigentlich nicht? Muss das mal mit Günter besprechen. So vier Wochen Urlaub im Jahr müssten eigentlich drin sein.« Sie strahlte. »Ich wollte immer schon mal nach Kalifornien, mir die Mammutbäume anschauen und Big Sur. Und das Esalen Institute besuchen – eine der Keimzellen des modernen psychologischen Schamanismus. Und dann noch in Florida mit Delphinen schwimmen. Kannst ja mitkommen!«
    Susanne gefiel die Idee. Du meine Güte, sie hatte sich wirklich Urlaub verdient, bei all den Überstunden, die sie vor sich herschob! Und neue CDs hatte sie sich auch schon lange nicht mehr gekauft, weil sie einfach nicht dazu kam, in den Kölner Musikgeschäften zu stöbern.
    Chris schob eine ihrer Tracy-Kassetten ins Radio und sang leise mit: »... across the lines, who would dare to go ...«
    Inzwischen hatte sich erste dunstig-matte Helligkeit über die Bäume geschlichen. Chris schaltete die Scheinwerfer aus und stoppte den Landy. Sie ließ noch die letzten Takte des Tracy-Songs verklingen, dann stiegen sie aus.
    Chris hängte sich einen großen, leeren Rucksack um und gab Susanne einen zweiten. Dann legte sie den Finger auf die Lippen. »Ab jetzt: Pst!« Sie schulterte ihr Gewehr. »Bleib einfach dicht hinter mir und mach dir keine Sorgen.«
    Eine Weile trotteten sie in gemächlichem Tempo querfeldein durch den Wald, wobei Chris stets sorgfältig darauf achtete, dass Susanne keine Zweige ins Gesicht schlugen. Susanne war erstaunt, wie leise und trittsicher sich Chris trotz ihres Gewichts fortbewegte. Wie eine runde Bärin auf weichen Tatzen. Ein paar Mal blieb sie stehen und drehte mit geschlossenen Augen den Kopf hin und her, was tatsächlich an eine witternde Bärin erinnerte und fast unheimlich wirkte – als gäbe es da noch ein anderes, tierisches Wesen, das in Chris’ Körper wohnte und ab und zu die Kontrolle übernahm. Aber Susanne schob diesen Eindruck beiseite. Gewiss war Chris manchmal ein bisschen sonderbar, aber es war trotzdem ihre Chris, ihre beste Freundin. Als der Tag endgültig anbrach und es richtig hell wurde, kamen sie an den Rand einer Lichtung. Die Luft war erfüllt vom Morgengesang der Vögel. »Okay«, flüsterte Chris. »Hier bin ich.« Sie drehte sich zu Susanne um. »Warte dort.«
    Langsam nahm sie ihr Gewehr von der Schulter, spannte es und ging bedächtigen, festen Schrittes hinaus auf die Lichtung. Susanne blieb unter den Bäumen stehen, wie Chris es ihr gesagt hatte. Vorsichtshalber zog sie aber Jonas’ Sig Sauer aus dem Hosenbund und entsicherte sie, um Chris notfalls beistehen zu können. Sie hatte keine Ahnung, wie dick die Schwarte eines solchen Keilers war, schätzte jedoch, dass die Feuerkraft der Pistole ausreichen würde, um ihn über den Haufen zu schießen. Nur war es verdammt schwer, mit einer Pistole aus der freien Hand ein bewegliches Ziel zu treffen.
    Und dann sah sie den Keiler. Ihr stockte der Atem. Es war ein gewaltiges Vieh. Susanne hatte nicht vermutet, dass Wildschweine so groß werden konnten. Er stand am gegenüberliegenden Rand der Lichtung und starrte Chris finster entgegen.
    Jetzt setzte er sich in Bewegung. Ohne einen Laut von sich zu geben, stürmte er wie ein Panzer auf Chris los. Mein Gott, wie wollte sie ihn jetzt noch treffen? Susanne nahm die Pistole in beide Hände. Aber Chris stand genau in der Schusslinie. Susanne sprang ein Stück seitwärts und ging in die Hocke, um besser zielen zu können. Chris legte mit geradezu lebensmüder Langsamkeit an. »Schieß doch!«, schrie Susanne, deren Handflächen schweißnass geworden waren. Sie selbst konnte nicht abdrücken. Aus dieser Position war die Gefahr, Chris zu treffen, einfach zu groß.
    Susanne bekam keine Luft. Sie1 sah die Hauer des Keilers. Nur noch Sekunden, bis er Chris niederrannte.
    Wumm! Chris’ stattlichem Oberkörper, ihren dicken Armen schien der Rückstoß des alten Gewehres kaum etwas auszumachen. Der Keiler stolperte, überschlug sich und blieb mit zuckenden Läufen keine drei Meter vor Chris liegen. Dann rührte er sich nicht mehr.
    Chris senkte das Gewehr und drehte sich zu Susanne um. »Ganz guter Schuss, nicht?«, sagte sie zufrieden. »Genau zwischen die Augen. Wichtig ist, dass man sich genug Zeit lässt und sorgfältig zielt.«
    Susanne sog keuchend die Luft ein. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. »Ja, bist du denn komplett wahnsinnig?!«, schrie sie. »Ich dachte, du ... du ...« Sie schaffte es kaum, die Pistole zu sichern, so sehr zitterten ihre Hände.
    Chris legte

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