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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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unbewusst, nehme ich an. Auf der Ebene seiner Seele. Er sendet Signale aus, dass seine Zeit gekommen ist.«
    Über die Jagd hatten sie nie viel gesprochen. Susanne wusste, dass Chris jagte – sie hatte schon etliche Male von ihr eine große Portion vorzügliches Wildbret für ihre Tiefkühltruhe erhalten. Auch jetzt lagerte gerade etwas Hirschragout darin. Aber viel darüber gesprochen hatten sie bislang nie. Susannes eigenes Verhältnis zur Jagd war zwiespältig. Sie aß gern Wild, konnte sich aber nur schwer vorstellen, selbst einem Hirsch oder Wildschwein das Fell über die Ohren zu ziehen. Aber sie aß ja auch das Fleisch von Haustieren, ohne sich damit anfreunden zu können, eigenhändig ein Schwein oder eine Kuh zu schlachten. Dass Chris, die doch einerseits Tiere über alles liebte, sie andererseits totzuschießen bereit war, fand Susanne irgendwie widersprüchlich. Daher fragte sie ihre Freundin: »Fällt es dir denn leicht das zu tun?«
    Chris dachte einen Moment nach, mit ernstem Gesicht. »Ich versuche mit einer indianischen Einstellung da heranzugehen. So, wie ich es von Silver Bear gelernt habe. Natürlich bleibt da immer ein innerer Zwiespalt. Ein Hirsch ist zum Beispiel ein wunderschönes Tier. Wenn ich ihn abschieße und ausweide, zerstöre ich diese Schönheit, nicht wahr? Andererseits« – sie zwinkerte Susanne zu –, »bist du auch wunderschön ...«
    Susanne machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach was, ich bin viel zu groß und knochig – und schon fünfunddreißig!«
    »Papperlapapp! Du bist mindestens so schön wie eine Hirschkuh! Na, jedenfalls, wenn ich dir das Fleisch des Hirsches zu essen gebe, nähre ich damit deinen schönen Körper. Solange der Kreislauf aufrechterhalten wird, bleibt auch die Schönheit erhalten. Sie wird immer weitergegeben.«
    »Dann müsste ich mich also irgendwann von einem Hirsch aufessen lassen? Aber die sind doch Pflanzenfresser.« Manchmal bereitete es ihr einige Mühe, Chris’ Gedankengängen zu folgen.
    Chris lachte. »Nein, so meine ich’s natürlich nicht. Der Kreislauf ist viel größer und weiter. Eines Tages stirbt dein Körper und wird von Käfern und Würmern verspeist. Die besitzen ebenfalls ihre ganz eigene Schönheit, auch wenn wir dafür vielleicht nicht so empfänglich sind wie für die Schönheit eines Hirsches. Deine körperliche Schönheit nährt dann deren Schönheit, während deine Seele weiterreist. Deine seelische Schönheit ist ewig. Nur die Körper sterben und wandeln sich ständig in etwas anderes um. Irgendwann werden die Käfer und Würmer zu Humus und der Humus nährt das Gras auf der Waldlichtung, von dem dann die Hirsche leben.« Chris breitete die Arme aus und lächelte. »Hey! Manchmal schaff ich’s, fast so zu klingen wie Silver Bear! Die Lehrer, die mit ihren Schulklassen in meine Waldschule kommen, sind auch recht zufrieden mit mir.«
    »Ja, ich glaube, ich hab’s begriffen«, sagte Susanne. Der Gedanke daran, dass ihr Körper eines Tages von Würmern und Käfern weggeknabbert werden würde, bereitete ihr allerdings ein gewisses Unbehagen. Trotz mancher deprimierender Erfahrungen hatte sie die feste Absicht diesen Zeitpunkt noch etliche Jahre hinauszuzögern!
    Sie räumten den Tisch ab. Da Jonas das Abendessen hergerichtet hatte, kümmerten sich Susanne und Chris um den Abwasch. Jonas verabschiedete sich, weil er noch nach Buchfeld fahren und sich dort auf ein Bier mit einem Kollegen treffen wollte.
    »Wie geht’s den Pferden?«, fragte Susanne.
    »Oh, bestens«, antwortete Chris. »Sie stehen unten beim Forsthof auf der Weide. Allzu schwer arbeiten müssen sie bei uns ja nicht gerade. Wir können sie morgen besuchen gehen, wenn du magst.«
    Während Susanne abtrocknete, musste sie plötzlich an Arne Felten und dessen unglaubliche Ausstrahlung denken. »Mir ist übrigens ein total interessanter Typ über den Weg gelaufen ...«
    Chris schrubbte gerade schwungvoll die Salatschüssel. »Echt? Na, dann schieß mal los!«
    Susanne berichtete ihr in allen Einzelheiten von Felten. »Ich würde, glaub ich, gern mal mit ihm essen gehen«, schloss sie ihre Schilderung.
    »Glaubst du denn, daraus könnte ... Ich meine nur, nicht dass du dir wieder mal falsche Hoffnungen machst. Ach, Quatsch! Warum fange ich an schwarz zu malen!« Sie legte Susanne sanft ihre feuchte Hand auf den Oberarm. »Folg einfach deinem Instinkt, deinem Bauchgefühl, und schau, was passiert.«
    Susanne grinste. »Ein sehr ökologischer Lover war dieser

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