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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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kriminalistischer Verstand auf. »Wonach hast du gesucht?«
    Chris warf ihr einen erstaunten Seitenblick zu. »Hm?«
    »Als du das Büro betreten hast. Du hast dich umgeschaut. Wonach hast du gesucht?«
    »Ach so. Nach dem Tresor.«
    »Was für ein Tresor?«
    »Der, den ich in meiner Vision gesehen habe. Felten muss einen Tresor in seinem Büro haben.«
    »Sie sind meistens hinter Bildern oder Regalen versteckt.«
    »Ach so. Vielleicht hinter dem Bild mit der hässlichen Luftaufnahme der Raffinerie. War ja das Einzige, das in diesem ganzen hässlichen Büro hing. Erstaunlich, dass Menschen in einer solchen Umgebung arbeiten können.«
    Normalerweise hätte Susanne jetzt sofort nachgebohrt, hätte in allen Einzelheiten wissen wollen, was es mit dem Tresor auf sich hatte. Doch während Chris vom Beschleunigungsstreifen auf die rechte Spur überwechselte, sah Susanne die Neubausiedlung links der Autobahn. In vielen Häusern war es jetzt nach Mitternacht dunkel, aber hinter einigen Fenstern brannte noch Licht. Paare, die beieinander im Bett lagen und sich davon erzählten, was sie während der vergangenen Stunden erlebt hatten, das Gute und das Schlimme ihres Alltags.
    Ich will nicht mehr, dachte sie. Ich will abends nicht mehr in eine leere Wohnung kommen und morgens allein aufwachen. Ich weiß, es gibt wenige glückliche Polizisten-Partnerschaften, besonders im Bereich Schwerkriminalität. Wahrscheinlich gibt es hunderte von Polizisten, die so allein sind wie ich. Viele von ihnen saufen. Heimlich. Wie Tönsdorf früher. Es gibt kaum Partner, die bereit sind den Schichtdienst zu ertragen, die vielen Überstunden. Und die Leichen. Auch wenn du nicht über die Leichen sprichst, bringst du sie trotzdem mit nach Hause. Und dein Partner spürt sie.
    »Scheiße«, sagte sie leise. Die Gipsmaske bröselte. Coole, knallharte Susanne. Wie lange hattest du jetzt keine Beziehung mehr? Vier Jahre? Oder schon fünf? Sicher, zwischendurch ein paar Kneipenbekanntschaften, die nichts hinterlassen hatten außer einem schalen Nachgeschmack und einem vollen Aschenbecher. »Er sah wirklich so gut aus wie Robert Redford.«
    »Glaubst du denn, es wäre was geworden?«
    »Keine Chance mehr, es herauszufinden.« Jetzt flossen ein paar Tränen. Aber es war kein befreiendes Weinen. Das Schluchzen kam kurz und hart und Susannes Brust fühlte sich eng und trocken an. Die Tränen versiegten rasch wieder.
    »Hast lange nicht mehr geweint, stimmt’s?«, sagte Chris.
    »Allerdings«, erwiderte Susanne heiser. »Gehört nicht gerade zu meinem üblichen Repertoire.«
    Chris streichelte beruhigend Susannes Arm. Vielleicht wäre es wirklich das Beste, einmal richtig weinen zu können, dachte Susanne. Alles schien besser als diese bleierne, stumme Leere, die sich jetzt in ihr ausbreitete. Und doch war es gut, dass jemand bei ihr war.
    Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Sie kamen zum Chlodwigplatz. Chris fand sogar schnell eine Parklücke. »Mmm. Da ist Vossen«, sagte sie, als sie an der nächtlich dunklen Bäckerei vorbeigingen.
    Susanne wollte irgendeine lockere Bemerkung machen, aber es fiel ihr nichts ein. Dann waren sie endlich oben in ihrer Dachwohnung. Sie hatte sich damals so gefreut, als sie diese Wohnung bekommen hatte. Ideal für Singles: zwei nicht zu große Zimmer, schöner Balkon mit ein bisschen Ausblick auf das Dächermeer.
    Susanne setzte sich aufs Sofa und starrte irgendwohin.
    »Soll ich uns Tee kochen?«, fragte Chris.
    Tee? Oder vielleicht Kaffee. Sich für irgendein Getränk zu entscheiden, schien enorm viel Anstrengung zu erfordern. Sie zuckte die Achseln.
    »Na gut. Ich mach uns einen.«
    Chris, die sich in der Küche bestens auskannte, begann nebenan zu hantieren. Der Wasserkocher rauschte und verstummte wieder. Susanne hörte, wie sie den Tee aufgoss. Vielleicht bleibe ich den Rest meines Lebens einfach hier auf dem Sofa sitzen, dachte sie. Statt ständig herumzurennen und einen Mord nach dem anderen aufzuklären, ohne dass die Welt davon heiler würde.
    Chris stand plötzlich vor ihr, die Hände in die Hüften gestemmt. »So. Ab ins Bett!«
    »Der Tee?«, fragte Susanne lahm.
    »Wird im Bett getrunken!«
    Egal, ob hier oder im Bett. Sie stand vom Sofa auf, als sei sie nicht fünfunddreißig, sondern fünfundsiebzig, zog Jeans und Pullover aus, ließ sie einfach achtlos auf den Boden fallen und legte sich ins ungemachte Bett.
    Chris kam mit zwei Tassen Tee. Fenchel mit Anis. »Nix da sonst«, sagte sie. »Ich muss dir mal

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